Korallen, die auf den Riffen der Bahamas wachsen, produzieren einen Wirkstoff, der multiresistente Tuberkulose-Bakterien abtötet. Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) ist es gelungen, dieses Antibiotikum im Labor biotechnologisch herzustellen.
Seit einem Tauchgang ist Biochemiker Thomas Brück von der Hornkoralle Antillogorgia elisabethae fasziniert. Da das Lebewesen verschiedene biologisch aktive Substanzen enthält, erforscht der Biochemiker seitdem die Biosynthese der Wirkstoffe dieser Weichkoralle.
Zusammen mit seinem Team am Werner Siemens-Lehrstuhl für Synthetische Biotechnologie ist es Brück jetzt erstmals gelungen, einen der Wirkstoffe der Hornkoralle im Labor herzustellen. Das Molekül Erogorgiaene ist ein Antibiotikum. Erste Bioaktivitätstests zeigen, dass es geeignet ist, um multiresistente Tuberkulose-Erreger zu bekämpfen.
Bislang war an einen Einsatz des Wirkstoffs kaum zu denken: Die Hornkoralle enthält nur extrem geringe Mengen Erogorgiaene und steht zudem unter Schutz – sie als Rohstoffquelle zu nutzen wäre weder wirtschaftlich sinnvoll noch ökologisch vertretbar. Die Herstellung mit klassischen chemischen Verfahren ist zwar möglich, aber aufwändig und verbunden mit toxischen Abfällen. Ein Kilo des Wirkstoffs würde um die 21.000 Euro kosten.
„Mit biotechnologischen Methoden jedoch lässt sich Erogorgiaene schneller, umweltfreundlicher und erheblich günstiger herstellen. Die Produktionskosten pro Kilo würden mit diesem Verfahren nur noch bei etwa 9.000 Euro liegen“, betont Brück.
Das neue Verfahren, das er zusammen mit Kollegen aus Berlin, Kanada und Australien entwickelt hat, besteht aus nur zwei Schritten: Die Hauptarbeit machen gentechnisch optimierte Kolibakterien, die sich von Glycerin ernähren, einem Reststoff aus der Biodiesel-Produktion.
Die Kolibakterien produzieren ein Molekül, das sich dann mit Hilfe von Enzymen in den gewünschten Wirkstoff verwandeln lässt. Dabei entsteht kein Abfall, da alle Nebenprodukte in einem geschlossenen Kreislauf wiederverwendet werden können. Das Verfahren wurde mittlerweile zum Patent angemeldet.
Inzwischen arbeitet das Forscherteam bereits an der biotechnologischen Herstellung eines weiteren Korallen-Wirkstoffs: Nach dem Vorbild der Natur soll das Molekül Erogorgiaene im Labor in den Wirkstoff Pseudopteropsin umgewandelt werden.
Auf den setzen Mediziner große Hoffnung: Klinische Studien haben gezeigt, dass Pseudopteropsin durch einen neuen Wirkmechanismus Entzündungen hemmt. Damit ist es potentiell ein Kandidat für die Therapie von überschießenden Immunreaktionen, beispielsweise bei Infektionen durch Viren wie COVID-19, aber auch von altersbedingten chronischen Entzündungen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Technischen Universität München.
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