Reisen mit Dauermedikation ist immer eine Herausforderung und während einer Pandemie erst recht. Mein kleiner Refresher aus der Apotheke für euch.
Die Reisezeit für Familien neigt sich langsam dem Ende zu und die Nebensaison kommt in Sicht. Das ist für viele Rentner die Möglichkeit, ihren Urlaub wieder ohne Störungen und mit mehr Ruhe im Ausland zu genießen. Doch gerade in Zeiten der Corona-Pandemie sollten sie in der Apotheke besonders umfassend dazu beraten werden, denn es gibt noch mehr Hürden als ohnehin schon. Hier kommt ein kleiner Refresher zum Thema Dauermedikation in der Reisezeit.
Frau Meier freut sich schon auf ihren Urlaub in der Türkei. In der Apotheke träumt sie schon ein wenig vor sich hin, als sie noch einmal alles für die Reise einkaufen will, was seit dem letzten Jahr verfallen ist. Da reißt sie die PTA jäh aus ihren Träumen. „Frau Meier, haben Sie noch genügend Blutdrucksenker und L-Thyroxin-Tabletten für ihre Schilddrüse? Laut unseren Unterlagen wird das zum Ende ihres Urlaubs hin knapp.“ Frau Meier lächelt, denn sie hat alles ausgerechnet. Sie kommt am Montag zurück, und bis Mittwoch reicht ihre Medikation. Doch was macht sie im Falle eines Lockdowns? Was, wenn der Rückflug sich um ein paar Tage verschiebt? Der Rat, sich wenigstens für eine Woche einen Puffer einzurichten, ist hier definitiv angebracht.
Zusätzlich sollten reisende Kunden wie Frau Meier noch gefragt werden, ob sie genügend Mund-Nasen-Schutzmasken mitgenommen haben. Diese ist sowohl in Bus und Bahn auf dem Weg zum Flieger, im Flughafengebäude selbst, bei der Abfertigung, im Flieger und vielerorts noch weiterhin bis zur Hotelanlage zu tragen. Eine Maske alleine reicht definitiv nicht aus, denn sie durchfeuchtet mit der Zeit. Auch an den Rückweg sollte hier gedacht werden.
Das Handgepäck ist zurzeit aufgrund der Corona-Situation bei allen Fluggesellschaften streng limitiert. Das könnte dazu verleiten, Medikamente, die nicht akut benötigt werden, in den Koffer zu legen. Das ist ein Fehler, der Leben kosten kann, denn geht der Koffer verloren, so ist der Patient ohne Medikation in Gefahr. Auch darauf sollte der Reisende dringlich hingewiesen werden.
Je nachdem, wie viele Medikamente nun im Handgepäck mitgeführt werden, könnte der Zoll bei der Kontrolle allerdings misstrauisch werden. Für diese Zwecke hat der ADAC ein brauchbares Dokument zum Herunterladen ins Netz gestellt. Es erläutert viersprachig, dass es sich bei den in der Liste aufgeführten Tabletten und Flüssigkeiten um dringend benötigte und ärztlich verordnete Medikamente handelt. Dies kann für den Patienten ausgedruckt und ausgefüllt werden, damit er keine Schwierigkeiten bei der Einreise bekommt. Wichtig ist in jedem Fall die ärztliche Signatur und der Stempel der Praxis, sonst wird das Dokument nicht anerkannt.
Ähnliches gilt für das Reisen mit Betäubungsmitteln. Hier stellt das BfArM einen entsprechenden Nachweis zum Ausfüllen in der Arztpraxis zur Verfügung. Er gilt jedoch nur verpflichtend für Reisen bis zu 30 Tage in Mitgliedstaaten des Schengener Abkommens. Außerdem muss der Nachweis zusätzlich vor Antritt der Reise durch die oberste Landesgesundheitsbehörde oder eine von ihr beauftragte Stelle beglaubigt werden. Für die Verbringung von Betäubungsmitteln in andere Länder hat das Internationale Suchtstoffkontrollamt (INCB) einen Leitfaden für die einzelnen Länder zusammengestellt. Auch hier sollte immer eine Bescheinigung des Arztes und die Bestätigung durch eine Landesgesundheitsbehörde mitgeführt werden.
„Wissen Sie, wir besuchen meine Nichte in den USA, sobald es wieder erlaubt ist. Wie nehme ich mein Kortison denn dann zeitlich ein, und in welchen Abständen soll meine Frau ihr Insulin spritzen?“, ist die Frage eines anderen Kunden. Durch die jeweilige Medikation gelten beide Personen als Hochrisikopatienten und sollten sich besonders gut vor einer Infektion schützen, oder besser die Reise erst gar nicht antreten. Wenn vom Besuch der Nichte absolut nicht abzuraten ist, dann gilt, was bei Zeitzonenverschiebungen immer gilt: Liegt das Reiseziel im Osten, so verkürzt die Zeitverschiebung den Tag, und am Reisetag selbst verringert sich daher die Medikation.
Im angesprochenen Fall geht sie nach Westen, was den Tag verlängert. Damit sollte die Medikation am Reisetag selbst erhöht werden. Bei sechs Zeitstunden wären das für die Frau, die Insulin spritzen muss, also eine zusätzliche Vierteltagesdosis (6/24). Sie sollte außerdem dazu angehalten werden, ihren Blutzuckerspiegel während der gesamten Dauer der Reise häufiger als sonst zu überprüfen. Daher sollte ihr Arzt ihr auch mehr Teststäbchen als gewöhnlich aufschreiben.
Nicht ganz so einfach ist es mit der Einnahme bei Glucocorticoiden, da deren Einnahme an den zirkadianen Rhythmus des Körpers angepasst werden müssen. Auch sollte hier eine Dosiserhöhung nicht stattfinden. Bei einer Zeitverschiebung muss das Angleichen an den Tagesrhythmus schleichend passieren, denn der ganze Organismus lässt sich nicht wie ein Uhrwerk neu stellen. Hier hat es sich bewährt, die Einnahme der Tabletten jeden Tag um zwei Stunden nach hinten zu schieben, bis die gewohnte Einnahmezeit wieder erreicht ist. Umgekehrt gilt das dann für den Rückflug nach Hause. Dann sollte der Patient am Reisetag selbst seine Tablette zwei Stunden eher nehmen, um sich dann wieder dem ursprünglichen Zeitpunkt anzunähern.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, die Patienten darauf aufmerksam zu machen, dass ihr Bedarf an Insulin oder auch Antihypertonika erniedrigt sein könnte, wenn sie in wärmere Länder fahren. Der Blutdruck kann sinken, wenn sich die peripheren Gefäße erweitern. Um das rechtzeitig feststellen zu können, gehört das Blutdruckmessgerät daher auf jeden Fall ins Reisegepäck, damit die Medikation bei Bedarf entsprechend angepasst werden kann.
Auch ist es nicht sinnvoll, die benötigten Tabletten für zwei Wochen Urlaub aus den Blistern in ein Dosiersystem zu überführen. Licht, Luftfeuchtigkeit und Wärme schaden den Wirkstoffen. Besser ist es, den Patienten den Rat zu geben, die Tabletten in der Originalverpackung zu belassen und erst am Urlaubsort für maximal eine Woche im Voraus umzufüllen.
Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf Betäubungmittel gelegt werden, die in transdermalen therapeutischen Systemen abgegeben werden. Hitze über 30° Celsius verändert die Verteilung der Wirkstoffe im Pflaster. Zudem kann sie den Gehalt der zur Freisetzung wichtigen Hilfsstoffe verändern, die flüchtig sind. Die Wirkstoffe könnten sogar auskristallisieren, was bedeutet, dass sie nicht mehr in ausreichender Menge aus dem Pflaster freigesetzt werden können. Im Apothekenalltag zeigt sich bei dieser Therapieform ganz besonders häufig ein Informationsdefizit zum Umgang im Alltag, denn bereits längeres heißes Duschen oder Fieber kann die Wirkstoffaufnahme steigern und zu Intoxikationen führen.
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