„Können Sie ihm nicht einfach nur eine Spritze geben?“ Als Tierärztin bin ich es leid, bei meinen Patienten permanent aufs Geld schauen zu müssen. Gute Diagnostik hat nun mal ihren Preis.
Mir ist bewusst geworden, was für eine tolle Sache so eine Krankenversicherung doch ist. Natürlich ist das System nicht perfekt – und als Außenstehender kann man bestimmt nicht alle Aspekte richtig beurteilen – aber doch hat hier in Deutschland jeder die Möglichkeit, zum Arzt zu gehen, wenn es ihm schlecht geht, oder OPs durchführen zu lassen, wenn es nötig ist. Auf der anderen Seite bekommt ein Großteil der Menschen aber überhaupt nicht mehr mit, was Medizin heutzutage kostet.
Anders ist es in der Tiermedizin: In Deutschland haben nach Umfrage eines großen Tierversicherers (AGILA) aus dem Jahr 2018 gerade mal 13,1 Prozent der Hundehalter eine Tierkrankenversicherung für ihr Tier abgeschlossen. Bei den Katzenbesitzern sogar nur 5,2 Prozent. Was bedeutet das für Tierärzte? In den meisten Fällen die immer wiederkehrende Diskussion: Wie teuer ist das denn? Kann man das in Raten zahlen? Ich habe aber nicht so viel Geld. Der Hund ist doch noch so klein, wie kann er da schon so krank sein? Geht das nicht auch billiger?
Bei der Befragung gaben auch über 25 Prozent der Tierbesitzer an, die Tierarztkosten vor der Anschaffung ihres Tieres unterschätzt zu haben.
Und selbst die liquiden Kunden lassen sich immer mal wieder zu einem Satz hinreißen wie: „Ach, so viel Geld wie ich hier schon gelassen habe, da gehört mir ja quasi schon das Röntgengerät … .“ Was wohl in erster Linie witzig gemeint ist, hängt mir und meinen Kollegen mittlerweile aus den Ohren raus und führt zu gesteigerter Herz- und Atemfrequenz. Was denken sich die Leute, was so ein digitales Röntgengerät kostet? Oder ein neues Ultraschallgerät, oder die Blutuntersuchungsgeräte, damit wir die Ergebnisse innerhalb einer halben Stunde vorliegen haben. Die meisten Tierarztpraxen sind mittlerweile besser ausgestattet als die ein oder andere Facharztpraxis in der Humanmedizin.
Die Kunden kommen genau deswegen gern in unsere Praxis, weil sie wissen: Wir arbeiten auf hohem medizinischem Niveau. Doch sind sie leider selten dazu bereit, auch den Preis dafür zu zahlen. Und so ist es überall in Deutschland – natürlich je nach Region und Praxismanagement mit unterschiedlich hohem Anteil.
Leider gibt es immer noch zu viele Praxen, die ihr Preisniveau deswegen so niedrig wie möglich halten und mit der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) fast alles mit dem 1-fachen Satz abrechnen. Doch das zieht einen langen Rattenschwanz nach sich: Wenige Einnahmen, dadurch schlechtere Bezahlung der Mitarbeiter, der Versuch, die Verluste durch höhere Quantität auszugleichen, also eine Mehrbelastung der Mitarbeiter. Diese suchen sich dann meistens nach einigen Monaten oder Jahren andere Betätigungsfelder.
Besonders die tiermedizinischen Fachangestellten sind häufig einer großen Belastung ausgesetzt. Viele müssen neben ihren gelernten Tätigkeiten wie Behandlungsassistenz, Narkoseüberwachung oder Labortätigkeiten, nachdem der Chef die Praxis verlassen hat, noch Aufgaben einer Reinigungskraft oder Büroangestellten erledigen. Und das für meistens unter 2.000 Euro brutto im Monat. Da überlegt man sich zweimal ob man z. B. nach einer Babypause wieder arbeiten möchte. Es lohnt sich einfach nicht.
Aber auch viele Tierärzte entscheiden sich immer öfter für einen Berufsweg außerhalb der tierärztlichen Praxis. Denn neben der finanziellen (ja, auch Tierärzte verdienen häufig nicht viel, besonders in der Kleintiermedizin) und körperlichen Belastung kommt immer auch die emotionale Belastung hinzu. Man möchte das Beste für seine Patienten, möchte diagnostische Verfahren anwenden, aber kann es nicht, weil die Besitzer erst mal nur für einen Therapieversuch zahlen möchten oder können. „Können Sie ihm nicht einfach nur eine Spritze geben?“
Es muss also dringend ein Umdenken stattfinden. Sowohl bei den Tierhaltern, die ernsthaft über eine Krankenversicherung ihres Lieblings, oder zumindest eine private Sparmaßnahme nachdenken sollten, als auch bei den Praxisinhabern, die durch Dumpingpreise die Zukunft der Tiermedizin gefährden.
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