Gewalt gegen Frauen ist ein wichtiges Thema in der gynäkologischen Praxis. Die DGGG erklärt in einer aktualisierten Stellungnahme, was Frauenärzte in solchen Fällen tun können und welche Maßnahmen sie ergreifen sollten.
Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) hat sich erneut einem sehr wichtigen Thema angenommen und diesen Mittwoch eine überarbeitete Stellungnahme zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ veröffentlicht. Sie möchte hiermit die Gynäkologen in die Verantwortung nehmen.
Eine erhebliche Zahl von Frauen ist aktuell in COVID19-Zeiten, aufgrund vermehrt verbrachter Zeit in den eigenen vier Wänden, von häuslicher Gewalt betroffen. Da betroffene Frauen sehr viel häufiger unter gynäkologischen Beschwerden leiden als andere Frauen und die Gewalt oftmals in der Schwangerschaft oder in den Monaten nach einer Geburt ihren Anfang nimmt, ist das Thema gerade für die Fachkollegen der Gynäkologie und Geburtshilfe sehr relevant. Niedergelassene Frauenärzte sind oft die erste niedrigschwellige Anlaufstelle für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, und könnten so eine wichtige „Scharnierfunktion“ für deren weitere Versorgung darstellen.
Körperliche Misshandlungen, Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen können zu psychischen Traumatisierungen, körperlichen Verletzungen, Komplikationen in der Schwangerschaft, chronischen Erkrankungen und mitunter sogar zum Tod führen. Die Wahrscheinlichkeit, im Praxisalltag gewaltbetroffenen Frauen zu begegnen, ist hoch. 38-66 % der gynäkologischen Patientinnen einer skandinavischen Studie hatten körperliche Gewalt erlebt, 17-33% sexuelle Gewalt.
Die neu erschienene Stellungnahme „Gewalt gegen Frauen“ ist eine Aktualisierung der DGGG-Stellungnahme von 2010. Sie wurde gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe e. V. (DGPFG) erstellt und ist als Handlungsempfehlung für das konkrete Vorgehen in der (frauen-)ärztlichen Praxis gedacht. Darüber hinaus sollte das Thema „Gewalt“ regelmäßig in der medizinischen Ausbildung behandelt, als Fortbildungsmodul in die 80-Stunden-Blöcke zur psychosomatischen Grundversorgung fest verankert und in praxisrelevanten Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden.
Orientiert an internationalen Standards (WHO 2014) und den Konzepten des Modellprojekts MIGG (Medizinische Intervention gegen Gewalt an Frauen) umfassen die Interventionsstandards vier zentrale Aufgaben für niedergelassene ÄrztInnen:
Die Stellungnahme erörtert jeden dieser Punkte explizit und erklärt die möglichen Handlungsschritte.
Die ärztliche Erstversorgung von Frauen nach einer akuten Vergewaltigung inkl. Spurensicherung und die dazugehörigen rechtlichen Aspekte werden in dieser Stellungnahme ausdrücklich nicht ausführlich diskutiert: Die entsprechende umfangreiche Erst-Diagnostik und -Betreuung sollte in speziellen Einrichtungen (z. B. Institute für Rechtsmedizin oder Kinderschutzambulanzen) erfolgen. Das gilt besonders für Kinder und Jugendliche. Wenn sich eine Frau nach Vergewaltigung in einer gynäkologischen Praxis vorstellt, sollte sie entsprechend beraten und gezielt weitergeleitet werden.
„Gleichwohl haben viele niedergelassene FrauenärztInnen und Klinik-Ambulanzen ein Befundungs-Kit in der Praxis und können diese Befundungen – nach entsprechender Fortbildung – selbst durchführen“, berichtet Dr. Christian Albring, Präsident vom Berufsverband der Frauenärzte e. V. (BVF). Die gerichtsfeste Dokumentation ist jedoch ein einstündiger Aufwand, der zurzeit nur dann honoriert wird, wenn die Frau gleichzeitig Anzeige erstattet. Tut sie das nicht, dann kann die Untersuchung nicht als GKV-Leistung abgerechnet werden.
Jede gynäkologische Praxis sollte wissen, welche Krankenhaus-Ambulanz oder sonstige Einrichtung zuständig ist, inkl. Telefonnummer. Wie diese Informationen zu erhalten sind, ist regional unterschiedlich – z. B. über die Polizei, Runder Tisch gegen Gewalt oder www.frauen-gegen-gewalt.de. Schließlich ist es essenziell, der Patientin die Sicherheit zu geben, dass es Menschen und Institutionen gibt, die ihr helfen können und auch werden. Dabei ist immer auch an die Unterstützung und Sicherheit betroffener Kinder zu denken.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.
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