Schweizer Forscher konnten zeigen, wie gutartige Darmbakterien die B-Zellen zur Produktion von Antikörpern anregen, noch bevor diese auf schädliche Erreger treffen.
B-Zellen erkennen körperfremde Substanzen und produzieren im Anschluss entsprechende Antikörper. Darmmikroben lösen die Anreicherung dieser B-Zellpopulationen sowie die Antikörperproduktion aus. Nun konnte eine Forschergruppe um Prof. Stephanie Ganal-Vonarburg und Prof. Andrew Macpherson vom Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Inselspitals zeigen, dass die Darmbakterien die Produktion von Antikörpern beeinflussen können – und zwar noch bevor die B-Zellen überhaupt mit körperfremden Erregern in Kontakt kommen. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden in Nature publiziert.
Meistens bleiben Bakterien innerhalb des Darms und dringen nicht in das Körpergewebe ein. „Ein gewisses Eindringen in die Blutbahn ist jedoch unvermeidlich, da der Darm nur eine einzige Schicht von Zellen aufweist, die das Innere des Darmrohrs von den Blutgefässen trennen, die wir zur Aufnahme unserer Nahrung benötigen“, sagt Ganal-Vonarburg. Die Forscher verfolgten den Weg der Darmbakterien innerhalb und außerhalb des Darms und ihre Auswirkungen auf die B-Zellen.
Dafür setzten sie speziell entwickelte Computerprogramme ein, um Millionen von genetischen Sequenzen zu verarbeiten, die das Antikörperrepertoire von B-Zellen vergleichen, je nachdem, ob die Darmbakterien im Darm bleiben oder ob sie in den Blutkreislauf gelangen.
„In beiden Fällen wird das Antikörperrepertoire verändert, jedoch auf unterschiedliche Weise – je nachdem, um welche Darmbakterien es sich handelt und wo die Exposition erfolgt“, erklärt Macpherson. „Dies deutet darauf hin, dass die Darmbakterien die Entwicklung unserer Antikörper steuern, bevor wir eine ernsthafte Infektion bekommen, und dass dieser Prozess sicherlich nicht zufällig ist.“
In der Darmschleimhaut befinden sich andere Arten von Antikörpern als im Blutkreislauf. Mit Hilfe der leistungsfähigen genetischen Analyse zeigten die Wissenschaftler, dass die Bandbreite der verschiedenen Antikörper, die im Darm produziert werden, weitaus geringer ist als die, die im Körper ausserhalb des Darms gebildet werden. „Das bedeutet, dass das Immunsystem, sobald schädliche Bakterien in den Körper gelangen, viel mehr Möglichkeiten hat, sie zu bekämpfen, während Antikörper im Darm hauptsächlich nur diejenigen schädlichen Bakterien binden, denen sie jeweils begegnen“, erklärt Ganal-Vonarburg.
Im Laufe ihres Lebens sehen sich Säugetiere einer Vielzahl unterschiedlicher Erreger gegenüber. Daher ist es wichtig, zu wissen, wie sich das Antikörperrepertoire anpasst, wenn es bereits durch ein bestimmtes Bakterium geformt wurde und auf einen neuen Erreger trifft. Das Forschungsteam beantwortete diese Frage, indem es testete, was bei keimfreien Mäusen bei einer Besiedelung mit denselben Darmbakterien in- und außerhalb des Darms sowie mit zwei verschiedenen schädlichen Bakterienstämmen an derselben Stelle nacheinander geschah.
Im Darm blieb dabei die Antikörperreaktion begrenzt: Wenn die zweiten Bakterien auftauchen, ändern sich die Antikörper, um sich diesen anzupassen – ähnlich wie wenn in einer Tür das Schloss ausgewechselt wird. Im Gegensatz dazu differenziert sich die Reaktion beim Eindringen von Bakterien in den Blutkreislauf. Hier wird zum ersten Satz Antikörper ein zweiter Satz gebildet, was einem Einbau eines weiteren Schlosses entspricht, so dass die Tür mit unterschiedlichen Schlüsseln geöffnet werden kann. „Dies zeigt, dass das Immunsystem sich an verschiedene schädliche Bakterienarten erinnert und die Gefahr einer Blutvergiftung vermeiden kann“, erklärt Macpherson.
Die Erkenntnisse liefern ein besseres Verständnis unseres Immunsystems: „Wir konnten erstmals belegen, dass nicht nur die Zusammensetzung unserer Darmflora, sondern auch die Art und Weise, wie sie im Körper auf B-Zellen treffen, einen unterschiedlichen Einfluss auf deren Antikörperrepertoire und die nachfolgende Immunität gegen Krankheitserreger haben“, sagt Ko-Erstautor Hai Li.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Bern.
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