Eine tragbare, künstliche Niere befindet sich in der Entwicklung. Erste klinische Studien mit Prototypen sind vielversprechend verlaufen. Noch gilt es, technische Hürden zu überwinden, bis das Modell für eine sichere Dialysetherapie in Serie gehen kann. Der Bedarf ist groß.
Auf der diesjährigen Dialyse-Konferenz der American Society of Nephrology konnten die Teilnehmer schon einen Blick auf die Zukunft werfen: Dr. Victor Gura, Professor an der University of California in Los Angeles (USA) präsentierte dort seine Fortschritte bei der Entwicklung einer tragbaren künstlichen Niere (WAK, wearable artificial kidney). Erste klinische Studien in Italien und Großbritannien seien bereits abgeschlossen[Paywall], nun laufe gerade die erste Studie in den USA – mit Unterstützung der nationalen Überwachungsbehörden, denn Dr. Guras WAK ist Teil des Innovationsprogramms der FDA, mit dessen Hilfe die Entwicklung von Medizinprodukten beschleunigt werden soll. Bei der vorgestellten WAK handelt es sich um eine batteriebetriebene, miniaturisierte Dialyseeinheit, die wie ein Werkzeuggürtel getragen werden kann. Der Prototyp wiegt 4,5 kg und benötigt nur etwa 400 ml steriles Wasser – ein großer Fortschritt im Vergleich zu herkömmlichen Dialysemaschinen, die für gewöhnlich 60 kg oder mehr auf die Waage bringen und ca. 120 l Wasser verbrauchen. Die Absorptionskartusche der WAK kombiniert Urease, Aktivkohle, Zirkoniumphosphat und Zirkoniumoxid, um harnpflichtige Substanzen und Salze zu entfernen. Doch trotz vielversprechender erster Studien gibt es noch technische Fragen, die es zu klären gilt, beispielsweise bezüglich des Einflusses der verwendeten Ionenaustausch-Absorber auf den Elektrolyt- und Säure-Base-Haushalt sowie die Frage nach der Sicherheit des direkten Blutkreislaufzugangs – im Fall einer versehentlichen Abtrennung besteht beispielsweise das Risiko eines substanziellen Blutverlusts und einer Luftembolie. Ganz so schnell wird der Traum von der künstlichen Niere also wohl noch nicht in Erfüllung gehen. Doch Dr. Gura bleibt optimistisch: „Ich hoffe, dass in fünf Jahren dieses Gerät landesweit eingesetzt wird.“
Für Patienten mit schweren Nierenerkrankungen ist eine Dialyse oft die letzte Hoffnung, denn die Chancen, eine Spenderniere zu ergattern, sind gering: Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) wurden 2014 insgesamt 2.128 Nierentransplantationen durchgeführt – in 1.508 Fällen handelte es sich um postmortale Organspenden. Rund 8.000 Patienten stehen dagegen noch auf der Warteliste. Bei diesen Patienten müssen harnpflichtige Substanzen über Nierenersatzverfahren aus dem Blut entfernt werden, doch keine der derzeitigen Dialysemodalitäten ist derzeit in der Lage, die Funktion der Niere gleichwertig zu ersetzen. Der größte Nachteil der Hämodialyse ist, dass sie für gewöhnlich nur dreimal pro Woche angewendet wird und es dadurch zu großen Schwankungen im inneren Milieu des Körpers kommt. Die Peritonealdialyse ermöglicht zwar eine kontinuierlichere Reinigung des Blutes, die Entfernung urämischer Toxine ist allerdings wenig effizient und langfristig kommt es zur Schädigung der Peritonealmembran durch die hohen intraperitonealen Glukosekonzentrationen, die zum Aufbau eines osmotischen Gradienten notwendig sind. Die Auswertung nationaler Register wie des United States Renal Data System (USRDS) hat gezeigt, dass die Lebenserwartung von Dialysepatienten deutlich geringer ist als die der Allgemeinbevölkerung. Eine tägliche Heimhämodialyse scheint dabei der konventionellen Hämodialyse überlegen zu sein und kann nicht nur die Überlebensrate verbessern, sondern beispielsweise auch Lebensqualität, Ernährungszustand und Tablettenlast. Allerdings wird nur ein kleiner Teil aller Dialysepatienten mittels Heimhämodialyse behandelt – und selbst, wenn sie in den Genuss dieser Behandlungsmodalität kommen, sind sie immer noch für viele Stunden täglich an eine große medizinische Apparatur gebunden. Mobil sind sie damit nicht, und an Urlaub ist natürlich auch nicht zu denken. Die tragbare künstliche Niere verfolgt daher den Ansatz, eine effiziente Toxinentfernung und einen langsamen Flüssigkeitsaustausch bei hoher Mobilität und Flexibilität zu gewährleisten.
Während die ersten WAK-Prototypen noch mit technischen Herausforderung rund um Sicherheit, Bedienung und Effizienz ringen, kommt eine im März 2015 in The Lancet veröffentlichte Übersichtsarbeit zu dem Schluss, dass es einen großen Bedarf an kostengünstigen Methoden zur Behandlung von Niereninsuffizienz gibt, da im besten Fall nur die Hälfte derjenigen, die ein Nierenersatzverfahren oder eine Transplantation benötigen, diese auch erhalten. Dadurch könnten im untersuchten Jahr (2010) weltweit mindestens 2,3 Millionen behandlungsbedürftige Menschen vorzeitig gestorben sein. „Die große Anzahl von Todesfällen, die sich aufgrund von schlechtem Zugang zu den Behandlungsmethoden ereignet, stellt sowohl für die Nephrologie als auch ganz allgemein für das Gesundheitswesen und die Forschungsgemeinschaften eine herausfordernde Aufgabe dar“, erklärt der federführende Autor der Übersichtsarbeit, Prof. Vlado Perkovic von der University of Sydney (Australien). Besonders kritisch ist die Versorgungssituation der Übersichtsarbeit zufolge in asiatischen und afrikanischen Ländern mit niedrigem bis mittlerem Pro-Kopf-Einkommen, beispielsweise Nigeria, Pakistan, Indonesien, Indien und China. Hier erhielt weniger als ein Viertel der Patienten mit Niereninsuffizienz die notwendige Behandlung. In einem Kommentar zum Lancet-Artikel fordern Prof. Josef Coresh von der Johns Hopkins University in Baltimore und Prof. Tazeen Jafar von der Duke-NUS Graduate Medical School in Singapur daher bedarfsgerechte Lösungen, wie das Konzept des tragbaren Dialysegeräts eine sein könnte: „Die Zeit ist reif, um die Prävention und Behandlung von Nierenversagen sowie das Management chronischer Nierenerkrankungen in die globale Gesundheitsagenda aufzunehmen.“