In Deutschland steigen die Infektionszahlen wieder an. Heute, am 4. August, meldet das RKI knapp 900 Corona-Neuinfektionen im Vergleich zum Vortag. Ist das schon die gefürchtete zweite Welle? Oder stecken wir noch in der ersten Welle fest? Und wer definiert diese „Wellen“ überhaupt?
Der Marburger Bund ist sich sicher: Im interview mit der Augsburger Allgemeinen erklärt Verbandsvorsitzende Susanne Johna: „Wir befinden uns ja schon in einer zweiten, flachen Anstiegswelle.“
Sie sei nicht vergleichbar mit den Zahlen von März und April. Dennoch steige die Zahl der Neuinfektionen. „Damit ist die Gefahr, dass wir die Erfolge, die wir bislang in Deutschland erzielt haben, in einer Kombination aus Verdrängung und Normalitätssehnsucht wieder verspielen“, warnt Johna.
Auch wenn es richtig ist, immer wieder auf das Einhalten der Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen hinzuweisen. Doch verliert der Begriff „zweite Welle “durch den inflationären Gebrauch nicht möglicherweise seinen Schrecken? Alles halb so schlimm, könnte man schließlich meinen, wenn die zehnte Welle am Ende des Jahres mit ein paar hundert mehr Fällen rüberschwappt.
Die „zweite Welle“ ist schon beinahe zur Abkürzung für jegliches Wiederaufflammen von Corona-Infektionen geworden. Deswegen ist der Begriff unter Experten umstritten. Auch weil niemand weiß, wie man eine zweite Welle überhaupt definieren soll.
„Es wird eine große Welle geben”, sagt Dr. Margaret Harris, Sprecherin der WHO. „Es wird ein bisschen rauf und runter gehen […], aber von einer ersten, zweiten, dritten Welle zu sprechen, hat nicht viel Sinn und wir definieren es auch nicht wirklich so."
Virologe Hendrik Streeck spricht in der FAZ lieber von der „Dauerwelle“. Auch Gerd Antes, Honorarprofessor der Medizinischen Fakultät an der Universität Freiburg hält nichts von der „zweiten Welle“. Gegenüber dem Spiegel erklärt er:
„Der Begriff vermittelt ein völlig falsches Bild.“ Eine zweite Welle suggeriere einen völlig neuen Vorgang, der von einem bestimmten Punkt angestoßen wird. Doch genau das sei falsch. „Das Virus ist ja nicht verschwunden, die Infektionsketten schwelen weiter. An jeder roten Fußgängerampel kann es zu sporadischen Übertragungen kommen“, so Antes.
Was bringt es also, immer und immer wieder vor einer zweiten Welle zu warnen, von der niemand weiß, was sie eigentlich genau ist? Um der Bevölkerung den Ernst der Lage vor Augen zu führen, kann das sicher hilfreich sein. Angesichts einer drohenden zweiten Welle nimmt der ein oder andere die AHA-Regeln vielleicht eher zu Herzen.Oder lassen uns die ständigen Warnungen vor Schreckensseznarien eher abstumpfen? Was haltet ihr davon, von der „zweiten Welle“ zu sprechen?
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