Erfahren Frauen, dass sie schwanger sind, so setzen sie aus Angst vor schädlichen Effekten oft eigenmächtig Pharmaka ab. Ihre Sorgen sind meistens unbegründet: Dank langjähriger Erfahrungswerte können Ärzte und Apotheker das Risiko für Mutter und Kind minimieren.
Ein schwarzes Loch: Bei vielen Arzneimitteln fehlen wissenschaftlich gesicherte Daten zur Toxikologie in Schwangerschaft und Stillzeit. Selbst relativ alte Arzneistoffe führen zu Überraschungen im negativen Sinne, wie aktuelle Studien zeigen: Beta-2-Sympathomimetika erhöhen bei der Gabe im ersten Trimenon das Risiko angeborener Fehlbildungen geringfügig. Es gibt auch Hinweise, dass die frühe Einnahme von Paroxetin oder Fluoxetin zu Defekten führen kann, wenn auch nicht muss. Health Professionals bleibt nur, auf Datenbanken mit Erfahrungswerten zuzugreifen. In Deutschland stellt das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin, neutrale Informationen bereit. In entsprechenden Datenbanken sind mittlerweile rund 400 Arzneistoffe zu finden. Gleichzeitig können sich Ärzte und Apotheker über geeignete Therapien bei wichtigen Krankheitsbildern informieren. Einige Beispiele:
Der Klassiker schlechthin: Zwischen 50 und 75 Prozent aller werdenden Mütter quälen sich mit Übelkeit und Erbrechen – vor allem morgens im ersten Trimenon. Als Ursachen kommen unter anderem steigende β-hCG-Spiegel, aber auch niedrige Vitamin-B6-Werte, infrage. Hyperemesis gravidarum ist als klinisch bedeutsame Form eher selten. Nach Ausschluss möglicher Grunderkrankungen stehen mehrere Wirkstoffe zur Verfügung. Phytopharmaka mit Extrakten aus dem Ingwerwurzelstock helfen bei leichteren Fällen. Unter den klassischen Substanzen galt Meclozin früher als erste Wahl. Das Pharmakon ist in Deutschland aber nicht mehr verfügbar. Heute entscheiden sich Ärzte und Apotheker deshalb für Doxylamin, gegebenenfalls in Kombination mit Pyridoxin. Wissenschaftler von Embryotox empfehlen unter Einschränkungen auch Dimenhydrinat oder Diphenhydramin. Die Arzneistoffe sollten bei Hinweisen auf vorzeitigen Wehen oder Frühgeburten nicht zum Einsatz kommen.
Benötigen schwangere Frauen ein Analgetikum, ist Paracetamol während der gesamten Schwangerschaft empfehlenswert. Daran haben auch aktuelle Untersuchungen nichts geändert. Eine statistische Erhebung aus Dänemark ergab: Frauen, die in der Schwangerschaft regelmäßig Paracetamol schluckten, hatten häufiger verhaltensauffällige Kinder. Das haben norwegische Forscher bestätigt. Doch es gibt kaum Alternativen. Ibuprofen sollte nur im ersten und zweiten Trimenon zum Einsatz kommen. Bei späterer Gabe kann sich der Ductus arteriosus schließen; das Risiko steigt mit zunehmendem Gestationsalter. Ärzte bekommen stärkere Schmerzen mit Paracetamol plus Codein in den Griff; bei entsprechender Indikation sind Tramadol, Buprenorphin oder sogar Morphin möglich. Beim Neugeborenen treten häufig Entzugssymptome auf. Das gilt auch für Fentanyl, Sufentanil oder Pethidin während der Geburt. Geht es bei Schwangeren tatsächlich um Migräne, ist auch Sumatriptan geeignet. Bei diesem relativ alten Triptan liegen vergleichsweise viele Daten vor.
Ähnlich gut wurden in den letzten Jahren Pharmaka bei Asthma bronchiale untersucht. Die Empfehlungen: Bei leichtem Verlauf bietet sich trotz der anfangs erwähnten Studie Salbutamol als kurzwirksames β2-Sympathomimetikum an, gefolgt von Budesonid, Beclometason und Fluticason. Langwirksamen β2-Sympathomimetika wie Formoterol und Salmeterol sollten zusammen mit inhalativen Glucocorticoiden (ICS) zum Einsatz kommen. Ältere wissenschaftliche Arbeiten deuten darauf hin, dass mehr als 1.000 Mikrogramm ICS pro Tag das Risiko angeborener Fehlbildungen erhöhen. Sollte ein systemisches Glucocorticoid notwendig sein, ist Prednisolon wegen seines geringen Übergangs durch die Blut-Plazenta-Schranke empfehlenswert. Das Ziel von Pneumologen bleibt, Patientinnen bereits vor geplanten Schwangerschaften gut einzustellen.
Ähnliche Konzepte verfolgen Neuroligen bei Frauen mit Epilepsie. Ihr Problem: Viele Antiepileptika besitzen ein embryotoxisches Potenzial. Valproinsäure gilt als besonders riskantes Medikament, aber auch Carbamazepin, Phenobarbital/Primidon und Phenytoin sind wenig empfehlenswert. Auf Valproinsäure sollten Ärzte bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter sogar komplett verzichten, um bei einer ungeplanten Schwangerschaft dem Embryo nicht zu schaden. Mittel der Wahl ist Lamotrigin. Da sich die Clearance während der Schwangerschaft stark erhöht, raten Experten zur regelmäßigen Kontrolle von Plasmaspiegeln. Wichtig ist, dass Patientinnen ihre Medikation konsequent einnehmen und nicht aus Angst vor möglichen Schäden mit der Therapie pausieren.
Auch bei Frauen mit depressiver Symptomatik ist die Adhärenz problematisch. Brechen sie ihre Behandlung eigenmächtig ab, wird der Therapieerfolg gefährdet. Von den langfristig bekannten Antidepressiva hat sich keines als eindeutig teratogen erwiesen. Als Mittel der Wahl gelten trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin, Desipramin oder Imipramin oder Nortriptylin) oder selektive Serotonin-Wiedraufnahme-Hemmstoffe (Sertralin, Citalopram). Gegebenenfalls müssen Ärzte die Dosis aufgrund einer veränderten Clearance anpassen. Johanniskraut ist zwar formal kontraindiziert. Derzeit gibt es jedoch keine Hinweise auf teratogene Effekte oder Schäden beim zu stillenden Säugling, wobei die Datenlage als mäßig betrachtet werden muss.
Apropos Stillzeit: Um das Abstillen zu erleichtern, haben Mediziner früher Bromocriptin verordnet. Der Arzneistoff hemmt die Prolaktinsekretion und damit die Laktation. Nach Berichten über schwerwiegende bis tödliche Nebenwirkungen hat das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der europäischen Arzneimittelbehörde EMA eine Bewertung veröffentlicht. Bromocriptin soll nicht mehr zum routinemäßigen Abstillen verwendet werden. Bei Schmerzen und Schwellungen raten sie zu Eis oder zu Analgetika, falls erforderlich. Sollten medizinische Gründe wie eine HIV-Infektion oder eine Mastitis vorliegen, raten Experten zu Präparaten mit 2,5 Milligramm des Wirkstoffs. Noch ein Blick auf die Forschung: In seltenen Fällen kommt es durch Schwangerschaften zu einer lebensgefährlichen Herzschwäche, der peri- oder postpartalen Kardiomyopathie (PPCM). Prolaktin scheint pathophysiologisch eine Rolle beim Krankheitsprozess zu spielen. Details werden noch erforscht. Derzeit untersuchen Wissenschaftler, ob hier gezielt Bromocriptin eingesetzt werden kann. Spezifische Krankheitsbilder sind in der Forschung ein Thema. Bei etablierten Pharmaka müssen Health Professionals aber nach wie vor Anwendungsbeobachtungen vertrauen.