Um Suchterkankungen therapieren zu können, erforschen Neurobiologen einen ungewöhnlichen Weg: Sie wollen Erinnerungen löschen, die mit der Sucht verknüpft sind. Wie soll das funktionieren?
Akute Entzugserscheinungen führen bei Suchtkranken oft zum Rückfall. Die Situation erzeugt durch die Aktivierung des Belohnungssystems starke Erinnerungen. Und genau hier wollen Wissenschaflter um Xiaoke Chen, Neurobiologe der Stanford University, eingreifen, um Patienten vor einem Rückfall zu bewahren.
Ihre Idee ist es, den neuronalen Pfad zu unterbrechen, der Erinnerungen an Drogen knüpft. In Experimenten mit morphinabhängigen Mäusen hat das schon funktioniert. Im Mittelpunkt steht dabei der Nucleus paraventricularis, eine Struktur, die verschiedene Hirnregionen verbindet, die bei Suchterkrankungen eine Rolle spielen.
Im Vorfeld wurde den Mäusen zwei verschiedene Kammern präsentiert: In einer befand sich eine drogenfreie Salzlösung, in der anderen ein Behälter mit geringer Dosis Morphin. Nach wenigen Tagen war die Präferenz der Mäuse klar, sie wählten stets die Morphin-Kammer.
Als die Mäuse offensichtlich süchtig waren, startete das eigentliche Experiment. Mithilfe der Methode namens Optogenetik waren die Wissenschaftler nun in der Lage, die Aktiviät diverser Signalwege des Nucleus paraventricularis an verschiedenen Punkten des Drogenerlebnisses zu kontrollieren – und damit die opiatassoziierten Erinnerungen auszulöschen. Das bewahrte die Mäuse noch zwei Wochen später vor einem Rückfall, selbst als die Signalwege nicht mehr von außen kontrolliert wurden und ihnen Morphin angeboten wurde. Es schien, als hätten sie die Wirkung von Morphin schlicht vergessen.
Laut Chen braucht es zwei entscheidende Komponenten, um die Erinnerung an das Drogenerlebnis erfolgreich zu löschen: Den genauen Ort und den richtigen Zeitrahmen. Die Manipulation der neuronalen Pfade muss erfolgen, während sich das Tier in der drogenassoziierten Umgebung befindet, in diesem Fall also in der Morphin-Kammer. Außerdem muss sich das Tier im Entzug befinden, also dann, wenn das Verlangen am größten ist.
„Das Gedächtnis muss zuerst reaktiviert werden, um eine Möglichkeit zur präzisen Gedächtnismanipulation zu bieten“, sagt Chen in einer Pressemitteilung der Stanford University. „Man will nicht die gesamte Erinnerung löschen, sondern nur den Teil, der mit der Droge in Verbindung steht.“
Zwar biete sich das Forschungsinstrument der Optogenetik nicht für den Einsatz beim Menschen an. Dennoch, so Chen, könnten ähnliche Effekte mit tiefer Hirnstimulation erreicht werden.
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