In den europäischen- und US-Leitlinien gibt es nur eine Klasse-1-Indikation zum Klappenersatz: Die linksventrikuläre Auswurffraktion muss weniger als 50% betragen. Bei anderen Risikofaktoren sind die Empfehlungen uneinheitlich. Keine Intervention wird meist dann empfohlen, wenn bei Patienten der ohnehin geringe Nutzen das Risiko des Eingriffs nicht aufwiegen kann.
Ein internationales Ärzteteam um Brigitta Gahl von der Universität Bern ist da anderer Meinung. In zwei Metaanalysen hat ihr Forschungsteam den natürlichen Verlauf der Erkrankung und zusätzlich den Nutzen eines frühen Aortenklappenersatzes untersucht (JAMA Cardiol 2020; online 8. Juli).
Die Ergebnisse legen angeblich nahe, eine Frühintervention könnte bei einem größeren Teil der Patienten mit asymptomatischer schwerer Aortenklappenstenose hilfreich sein.
Doch diese Annahme steht auf äußerst unsicheren und tönernen Füßen.
"Natural History of Asymptomatic Severe Aortic Stenosis and the Association of Early Intervention With Outcomes - A Systematic Review and Meta-Analysis" von Brigitta Gahl et al.
https://jamanetwork.com/journals/jamacardiology/article-abstract/2768167
bezieht sich zunächst auf eine Fülle von 29 Studien mit konservativer Behandlungstendenz der symptomatischen/asymptomptomatischen Aortenklappenstenose. Für die Beurteilung der Intervention selbst blieben 9 Studien (31%) übrig, davon mit 3,4% nur 1 einzige randomisierte, kontrollierte Studie (RCT).
Von daher sind Schlussfolgerungen und Schlüsselergebnisse äußerst tendenziös formuliert: "Key Points: Question - What is the natural history of asymptomatic severe aortic stenosis, which variables predict prognosis, and can early intervention improve outcomes?"
In 29 Studien mit 4.075 Patienten und 11.901 Follow-up-Jahren lag die Rate der Gesamtmortalität bei 5% der konservativ behandelten Patienten pro Jahr, 3% kardiale und 1% andere plötzliche Ursachen. 20% der Patienten pro Jahr entwickelten eine Indikation zur Intervention; frühe Intervention war signifikant assoziiert mit verbessertem Überleben (Übersetzung d.d.Verf.).
"Meaning - Patients with asymptomatic severe aortic stenosis may develop indication for intervention and have deaths that are mostly cardiac but not only sudden."
Damit gilt in dieser Metaanalyse nur für einen Bruchteil der Patienten die Aussage, dass lediglich 1/5, also 20% pro Jahr von einer Früh-Intervention profitierten, dagegen 80% pro Jahr nicht.
Das erinnert doch sehr an die COURAGE- und alle Nachfolge-Studien bei stabiler(!) KHK, nach der die PCI-Interventionen bzw. Stent-Implantationen keine Vorteile gegenüber medikamentös-konservativen und Lifestyle-Interventionen belegen konnten.
Datenlage und Erfolgsquote zur präventiven, interventionellen Aortenklappenstenosen-Therapie bei primär asymptomatischen Patienten sind und bleiben äußerst dürftig.