Die Ärzte vermuten bei einem vierjährigen Mädchen eine Pneumonie. Doch Anamnese, Auskultation und Bildgebung passen nicht zusammen.
Ein vierjähriges Mädchen hat seit vier Tagen Fieber. In der Notaufnahme fertigen die Ärzte sofort einen Röntgen-Thorax an, um eine Pneumonie abzuklären. Dabei zeigen sich bilateral ausgeprägte, diffuse Trübungen des Parenchyms.
Allerdings passt dieses Bild nicht zu einer Lungenentzündung. Abgesehen vom Fieber leidet das Mädchen unter trockenem Husten und Nachtschweiß. Andere respiratorische Symptome liegen nicht vor. Ihre Eltern sind Cousin und Cousine ersten Grades, die Familienanamnese ist jedoch unauffällig.
Im Alter von einem Jahr hatte das Mädchen eine Lungenentzündung, die ambulant behandelt wurde. Erstaunlicherweise deutet sich auf den Röntgenaufnahmen von damals bereits das Trübungsmuster an. Doch die Ärzte schrieben es damals der Infektion zu, weshalb keine weitere Diagnostik erfolgte.
In der körperlichen Untersuchung sind die Vitalparameter unauffällig (Herzfrequenz 100/min, Atemfrequenz 22/min, Sättigung 97 %, Temperatur 36,1 Grad Celsius und Blutdruck 90/51 mmHg). Ihre Atmung scheint etwas erschwert, in der Auskultation hören die Ärzte bilateral basal inspiratorisch Krepitationen, weiter kranial hören sie bronchiale Atemgeräusche, die Lungenspitzen erscheinen klar. Die kardiovaskuläre und gastrointestinale Untersuchung ist unauffällig.
Die Ärzte führen einen nasopharyngealen Abstrich durch, welcher positiv auf Influenza A getestet wird. Liegt hier die Erklärung für die Symptome? Die Blutunterusuchungen sind – bis auf einen erhöhten CRP-Wert von 15,9mg/L – ebenfalls unauffällig. Sowohl eine Tuberkulose als auch eine Immunschwäche oder eine Infektion mit Bakterien oder Pilzen können durch weitere Tests ausgeschlossen werden.
Im Thorax-CT zeigen sich jedoch deutlich verdickte Interalveolarsepten.
Damit können die Ärzte die möglichen Diagnosen auf eine pulmonal-alveoläre Mikrolithiasis, eine diffuse pulmonale Ossifikation und eine pulmonal-alveoläre Proteinose eingrenzen. Um der Sache auf den Grund zu gehen, führen die Ärzte eine Lungenbiopsie durch. Histopathologisch zeigen sich Kalziumkonkremente in den Alveolarräumen.
Aufgrund der Anamnese und Auskultation, der Bildgebung und des pathologischen Befundes diagnostizieren die Ärzte anschließend eine pulmonal-alveoläre Mikrolithiasis – die Ablagerung von Kugeln aus Hydroxylapatit in den Alveolen. Es handelt sich um eine sehr seltene Erkrankung, von der besonders türkischstämmige Personen betroffen sind. Außerdem tritt sie familiär gehäuft auf.
Genetische Tests zeigen eine homozygote Mutation im SLC34A2-Gen. Daraufhin fertigen die Ärzte Röntgen- und CT-Aufnahmen von der Zwillingsschwester des Mädchens an. Tatsächlich: Auch hier zeigen sich ähnliche Befunde. Doch wie passen das Fieber und der positive Influenzatest dazu? Vermutlich handelt es sich um eine zufällige Grippeinfektion.
Die pulmonal-alveoläre Mikrolithiasis kann nur symptomatisch behandelt werden. Der Krankheitsverlauf ist jedoch äußerst variabel. Viele Patienten zeigen über viele Jahre keine Symptome. In Einzelfällen entwickeln sich eine respiratorische und eine kardiale Insuffizienz. Je nach Ausprägung der Symptome kann eine Sauerstofflangzeittherapie oder auch eine Lungentransplantation den betroffenen Patienten helfen.
Text- und Bildquelle: Dell et al. / Canadian Respiratory Journal
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