Werden endogene Retroviren durch DNA-Methylierungs-Hemmstoffe (DMI) aktiviert, stimulieren diese das Immunsystem und können bei der Tumortherapie helfen. Dabei werden Gene angeschaltet, die Interferone bilden und so zum Tod von Krebszellen führen.
Die Gen-Aktivität spielt während der normalen Entwicklung von Zellen, aber auch beim Wachstum von Tumoren eine große Rolle. Seit längerem ist bekannt, dass DNA-Methylierungs-Hemmstoffe (DMI; englisch für DNA methylation inhibitors) in Tumorzellen eine Vielzahl von Genen des Immunsystems stimulieren und so zur Bekämpfung des Tumors beitragen. In klinischen Versuchen mit Lungenkrebspatienten in den USA konnte die Gabe von DMI vor einer Immuntherapie die Behandlung der Patienten signifikant verbessern.
Wie DMI die Therapie von Tumorpatienten verbessert, war bisher jedoch unbekannt. Ein internationales Team um Dr. Reiner Strick von der Universität Erlangen-Nürnberg hat nun die molekular- und zellbiologischen Ursachen aufgeklärt. Demnach aktivieren die DMI humane endogene Retroviren. Endogene Retroviren wurden im Laufe der Evolution in das menschliche Erbgut integriert, aber dann zum größten Teil inaktiviert. In ihrem Projekt haben die Forscher Eierstockkrebszellen mit DMI behandelt. Dabei stellten sie fest, dass durch die DMI Gene aktiviert wurden, die zur Bildung von Interferonen und damit schließlich zum Tod der Krebszellen führten. Des Weiteren beobachteten die Forscher, dass durch die DMI doppelsträngige RNA gebildet wurde. Dies ist normalerweise ein Hinweis auf eine Virusinfektion. Und tatsächlich konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass die RNA aus der Familie der endogenen Retroviren stammt. Das obere Bild zeigt das menschliche Eierstockgewebe: Die blauen Färbungen sind die einzelnen Zellkerne. Die braune Färbung auf dem Bild unten zeigt die Aktivierung eines Gens der endogenen Retroviren. ©PD Dr. Strissel/PD Dr. Reiner Strick
Aktivierte endogene Retroviren stimulieren die Immunabwehr. Diese Funktionsweise konnten die Wissenschaftler auch in anderen Krebserkrankungen der Lunge, Haut und Brust nachweisen. Dadurch konnten die Forscher die Tumore in verschiedene Gruppen einteilen – je nachdem, wie stark die endogenen Retroviren aktiviert wurden. „Erste vorklinische Experimente mit Hautkrebs haben gezeigt, dass die zeitgleiche Behandlung mit DMI und Immuntherapie auch einen besseren und dauerhaften Therapieerfolg erzielten“, erklärt Strick. „Jetzt, wo wir wissen, wie die DMI funktionieren, könnten sie zukünftig eventuell zur Verbesserung von Krebstherapien eingesetzt werden.“ Originalpublikation: Inhibiting DNA Methylation Causes an Interferon Response in Cancer via dsRNA Including Endogenous Retroviruses Katherine B. Chiappinelli et al.; Cell, doi:10.1016/j.cell.2015.07.011; 2015