Die wichtigsten Studien, Tweets, Podcasts aus der Welt der Intensivmedizin: dasFOAM fasst sie für euch zusammen. Heute geht es unter anderem um den HEART-Score, COVID-19, MRSA und Sepsis.
In der medizinische Weiterbildung spielen soziale Medien mittlerweile weltweit eine große Rolle. #dasFOAM möchte ein Teil davon sein. Wir beschäftigen uns damit, frei verfügbare medizinische Lehre in Deutschland bekannt zu machen und unsere eigenen Inhalte zu verbreiten. Aus diesem Grund wollen wir in regelmäßigen Abständen auch berichten, welche Themen national und international in der Notfall- und Intensivmedizin als Free Open Acess Medical Education (FOAM) verfügbar sind und unlängst besprochen wurden.
Dazu wollen wir immer wieder eine Zusammenfassung von interessanten Podcasts, Blogs, Studien oder auch Tweets der letzten Zeit liefern (jetzt auch mit etwas weniger COVID-Content, versprochen!).
1. Verweildauer: Einfluss von Zeitansage auf Arzt-Team
„Sag mal, wie lange sind wir eigentlich schon hier?“ – In dynamischen und komplexen Einsätzen verschiebt sich unsere zeitliche Wahrnehmung: Curtis et al. haben in einer prospektiven Studie untersucht, ob bei traumatologischen Notfällen die Einführung einer akustischen Zeitansage Einfluss auf die Verweildauer des Arzt-Paramedic-Teams an der Einsatzstelle hat.
Dazu wurde nach Eintreffen alle fünf Minuten die gesamte Zeit vor Ort per Funk durchgegeben. Während insgesamt ein nicht signifikanter Unterschied festgestellt wurde, konnte in der Subgruppenanalyse von Patienten mit GCS < 8 (28 vs. 25 min, p = 0,017) oder notwendiger Notfallnarkose (34 vs. 28, p = 0,007) eine deutliche Reduktion der Verweildauer vermerkt werden. In einer sekundären Befragung gaben 91 % der Einsatzkräfte mehr persönliche Aufmerksamkeit für die Einsatzzeit an, 76 % fühlten sich jedoch zeitweise abgelenkt – doch nur 10 % sprachen sich gegen den zukünftigen Einsatz eines Timers aus. (cg)
2. Double Sequential Defibrillation: Endlich eine Pilotstudie
Double Sequential Defibrillation (DSD) als Strategie zum Durchbrechen therapierefraktären Kammerflimmerns ist ein heiß diskutiertes Thema in den letzten Jahren und treibt jedem MPG-Beauftragten Tränen in die Augen.
Jetzt gibt es dazu die ersten randomisiert-kontrollierten Daten einer Pilotstudie aus 4 kanadischen Rettungsdienstbereichen, die Standarddefibrillation (entsprechend AHA-Guidelines), Wechsel des Defibrillationsvektors (vector change = VC, Anterior-lateral zu Anterior-posterior) und DSD miteinander vergleicht. Aber Vorsicht: Funktionelle Outcomes werden nicht betrachtet. Unter insgesamt 152 eingeschlossenen Patienten (Erwachsene im hyperdynamen Kreislaufstillstand nach 3 Defibrillationsversuchen), zeigten VC und DSD einen höheren Defibrillationserfolg als reine Standarddefibrillation (82 % und 76,3 % vs. 66,6%) und eine höheren Anteil an ROSC (39,3 % und 40% vs. 25%).
Unterm Strich lässt sich lediglich festhalten, dass DSD machbar ist und ein möglicher Vorteil in einer nun folgenden Hauptstudie untersucht werden muss. Interessant ist auch, dass ein einfacher Wechsel des Defibrillationsvektors etwa gleichbedeutend zur VF-/VT-Terminierung beitrug. Und abschließend für den MPG-Menschen: Bei DSD wurde eine kurze Verzögerung zwischen beiden Schockabgaben durch einen einzelnen Bediener gewährleistet, sodass kein Defibrillator beschädigt wurde. (cg)
Der HEART-Score wurde als Risikostratifizierungstool für den nicht-traumatischen Brustschmerz entwickelt. Low-risk-Patienten können hiermit in der Notaufnahme rasch und zuverlässig identifiziert werden und dann zügig und mit ausreichend Informationen entlassen werden. Momentan wird ein Major Adverse Cardiac Event (MACE) Risiko für Low-risk-Patienten (0–3 Punkte) von 1.9 %, mäßiges Risiko (4–6) von 13 % und high risk von 50 % angenommen. Mark et al. haben in einer neuen retroperspektiven Analyse des modified HEART-Score ein 60-Tage-MACE-Risiko für Patienten mit ≥ 4 HEART-Score-Punkten von 2 % (CI 1.8–2.3) errechnet. Die Analyse unterliegt einigen Limitierungen, jedoch sind die Ergebnisse von Mark et al. vergleichbar mit denen einer in 2018 veröffentlichen Kohorten-Studie von Sharp et al. (lü)
Ganz ohne COVID-Content geht’s dann doch nicht: Patienten mit infektiösen Atemwegserkrankungen (natürlich COVID-19, aber auch Tbc, MRGN- und MRSA-Kolonisation etc.) werden prä- und innerklinisch fast immer mit einem eigenen chirurgischen Mund-Nasen-Schutz (MNS) ausgestattet, um die Verteilung von Tröpchen und Aerosol in Innenräumen und im unmittelbaren Kontakt zu verringern. Gibt es jedoch gleichzeitig Anlass zu einer O2-Insufflation via (Reservoir-) Maske, stellt sich dem Personal häufig die Frage, ob die Sauerstoffmaske mit MNS kombinierbar ist, darüber oder darunter getragen werden kann oder doch gänzlich mit dem MNS getauscht werden muss.
Dazu gibt es jetzt einen kleinen publizierten Versuch, bei dem in den erwähnten Konstellationen die inspiratorische Sauerstoffkonzentration mit einer Nebenstrom-Messung an der Lippe abgeleitet wurde. Die FiO2 unterschied sich bei über dem MNS getragener Sauerstoffmaske nur unwesentlich von einem direkten Aufliegen auf dem Gesicht (FiO2: 0,50 vs. 0,54). Es bleibt letztlich aber zu beachten, dass eine (vermeintliche) Barriere zwischen rettendem Sauerstoff und Mund bei dyspnoischen Patienten nicht unbedingt zu deren Komfort und Compliance beiträgt und das Vorgehen individuell abgestimmt werden muss. (cg)
Bei Abschlagproben von Sauerstoffflaschen in einem Rettungsdienstbereich in Alabama (U.S.) wurden 9 von 9 Proben (100 %) positiv auf MRSA getestet. Weiterhin waren 67 von 70 Flaschen in einem Lagerungsbereich ebenso kolonisiert. Das lässt den Schluss zu, dass die Oberfläche von Sauerstoffflaschen (u. a. aus Sicherheitsgründen) selten bis gar nicht desinfiziert wird und die Möglichkeit für eine Kontamination nicht nur im Einsatzdienst besteht, sondern auch während Lagerung, Befüllung und Auslieferung – eine Sauerstoffflasche geht eben durch viele Hände.
Allerdings muss bei einer fraglichen Übertragbarkeit der Ergebnisse beachtet werden, dass in den USA der sogenannte community-acquired MRSA im Gegensatz zu Deutschland mit einer höheren Inzidenz epidemisch verbreitet ist. (cg)
Wer der Landessprache nicht mächtig ist und während einer Hospitalisierung einen Dolmetscher benötigt, hat vermutlich ein höheres Risiko, an einer Sepsis zu versterben. Das legen die Daten einer retrospektiven single-center Analyse von 8.974 Patienten mit Sepsis nahe, von denen ein Fünftel einer sogenannten LEP (limited english proficiency) unterlag. Diese korrelierte nach Adjustierung (Komorbiditäten, Erkrankungsschwere etc.) mit einem um 31 % höheren Sterberisiko (OR 1.31, 95 % CI 1.06–1.63, p = 0.02). Die Autoren sagen, dass mögliche Gründe für diesen Zusammenhang weiter erforscht werden müssen (ich werfe einfach mal Informationsverlust und institutionellen Rassismus als heiße Kandidaten in den Raum). (cg)
Stichwort Informationsverlust: Das Ulmer Traumateam hat kürzlich auf die vielversprechende Anamnese- und Übersetzungs-App aidminutes.rescue aufmerksam gemacht, die von der Universitätsmedizin Göttingen, der Universitätsmedizin Würzburg, dem Malteser Hilfsdienst, dem Rettungsdienst der Feuerwehr Braunschweig und des Landkreises Helmstedt sowie der Charité entwickelt wurde (für iOS und Android verfügbar). (cg)
Duc et al. haben retrospektiv bei 140 Patienten, die einen innerklinischen Kreislaufstillstand mit PEA erlitten, die kontinuierliche EKG-Aufzeichnung der letzten 24 h auf Zeichen einer Rechtsherzbelastung untersucht (RVS = right ventricle strain, definiert als morphologische Veränderung/verzögerte Depolarisation in V1 plus entweder Zeichen rechtsventrikulärer Ischämie oder Abweichung der Herzachse nach rechts). In 47 % der untersuchten EKGs ging eine Rechtsherzbelastung dem Kreislaufstillstand durchschnittlich 7 Minuten vorraus. Davon konnten nur rund 4 % auf Lungenembolien zurückgeführt werden. Die Autoren schlussfolgern, dass eine rasche pulmonalarterielle Drucksteigerung auch bei respiratorisch-hypoxischer Genese zu Rechtsherzversagen und konsekutiver PEA führen kann und entsprechende kontinuierliche EKG-Veränderungen einen gewissen prädiktiven Wert besitzen. (cg)
Wer schon immer einmal genau wissen wollte, wann, wie und warum Uhrglasnägel entstehen, wird in diesem Tweetorial fündig (cg):
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Und an dieser Stelle ein schöner Artikel zur SALAD-Technik beim Airwaymanagement, einfach, praktisch, gut! Fulltext nach kostenloser Anmeldung. (jw)
@DocScribbles hat auf Twitter eine schöne Grafik zum echokardiographischen Untersuchungshergang bereitgestellt (cg):
Dieser Artikel ist zuerst hier bei dasfoam.org erschienen.
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