Ab heute übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Kosten einer Systemischen Therapie bei Erwachsenen. Seit 33 Jahren wurde kein psychotherapeutisches Verfahren mehr in die Erstattungsfähigkeit aufgenommen.
Seit dem 1. Juli 2020 übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Kosten einer Systemischen Therapie bei Erwachsenen, wenn diese zur Behandlung einer psychischen Erkrankung notwendig ist. Die Vergütungsregelungen für das neu in die Regelversorgung aufgenommene Psychotherapieverfahren wurden vor wenigen Tagen von Krankenkassen und Kassenärztlicher Bundesvereinigung festgelegt, die rechtlichen Grundlagen – Psychotherapie-Richtlinie und Psychotherapie-Vereinbarung – sind bereits vor einigen Monaten entsprechend geändert worden. Die systemischen Fachverbände DGSF und SG hatten sich seit Jahren für die Aufnahme der Systemischen Therapie in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen eingesetzt.
Das Besondere an der Systemischen Therapie ist die Betonung sozialer Faktoren für die Psychotherapie. So werden neben den Patienten häufig deren Partner oder ganze Familien in die Therapie einbezogen. Hierfür wurde eigens ein neues Setting in die psychotherapeutische Versorgung eingeführt, das Mehrpersonensetting.
In Deutschland ist jedes Jahr etwa jeder vierte Erwachsene von einer psychischen Erkrankung betroffen. Für die knapp 18 Millionen Betroffenen und deren Angehörige ist eine psychische Erkrankung mit massivem Leid verbunden. Dies kann auch in den sozialen Beziehungen des Betroffenen zu erheblichen Einschränkungen führen. „Endlich steht allen erwachsenen Versicherten dieses hochwirksame Psychotherapieverfahren zur Verfügung“, sagt Dr. Ulrike Borst, Vorsitzende der Systemischen Gesellschaft (SG).
Ob die Kosten der Systemischen Therapie auch für die ambulante Behandlung von Kindern und Jugendlichen von den Kassen übernommen werden, muss noch entschieden werden.
Zwölf Jahre nach der wissenschaftlichen Anerkennung durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) ist Systemische Therapie für Erwachsene nun Teil der Regelversorgung. 1987 wurde zuletzt die Verhaltenstherapie zugelassen, damit kommt nach 33 Jahren wieder ein neues Psychotherapieverfahren im Krankenkassenkontext zum Einsatz.
Das erste Mal erfolgte dabei die Zulassung für ein psychotherapeutisches Verfahren auf Basis der Ergebnisse von Wirksamkeitsstudien. Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bewertete das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) den Nutzen Systemischer Therapie. In sieben sogenannten Störungsbereichen bescheinigte es der Systemischen Therapie eine positive Wirkung, darunter bei den am häufigsten vorkommenden psychischen Beeinträchtigungen wie Angststörungen, Depression und Suchterkrankungen.
Noch stehen wenige psychologische und ärztliche Psychotherapeuten zur Verfügung, die Systemische Therapie direkt mit gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können. Entsprechende Aus- und Weiterbildungen werden inzwischen aber vermehrt angeboten. Auch die Weiterbildungsordnungen für Ärzte werden derzeit entsprechend angepasst, damit die Systemische Therapie möglichst bald flächendeckend angeboten werden kann.
Informationen zu freien Therapieplätzen können bei den Kassenärztlichen Vereinigungen erfragt werden, zum Beispiel über die bundeseinheitliche kostenlose Telefonnummer der Terminservicestellen: 116 117.
Damit auch Kinder und Jugendliche in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung mit Systemischer Therapie behandelt werden können, ist ein weiteres Bewertungsverfahren durch den G-BA erforderlich. Die Zulassung der Systemischen Therapie für Kinder- und Jugendliche als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen steht also weiterhin aus. Ein entsprechender Antrag auf Methodenbewertung wurde jedoch im G-BA am 22. November 2019 angekündigt und wird nun von den systemischen Fachverbänden dringend erwartet.
Innerhalb von zwei Jahren muss der G-BA eine Entscheidung über die Zulassung systemischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie treffen. Es dürfe nicht sein, dass Kindern und Jugendlichen etwas vorenthalten werde, das Erwachsenen bereits zugänglich gemacht wurde, so Dr. Filip Caby, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF).
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie.
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