Anwendungsbeobachtungen sind nutzlos und dienen Pharmafirmen bloß als Marketing-Instrument, sagen Kritiker. Jetzt haben Forscher erstmals untersucht, ob solche Studien das Verschreibungsverhalten von deutschen Ärzten tatsächlich beeinflussen.
Pharmaunternehmen prüfen ihre Arzneimittel nach erfolgreicher Zulassung häufig in nicht-interventionellen Studien. Diese Anwendungsbeobachtungen (AWB) dienen dazu, mehr Erkenntnisse über Medikamente zu sammeln, etwa seltene Nebenwirkungen. Doch Kritiker bemängeln, dass diese Studien wegen ihres Designs gar keinen wissenschaftlichen Mehrwert bieten und darüberhinaus sogar das Verschreibungsverhalten von Ärzten beeinflussen. Jetzt haben Wissenschaftler erstmals untersucht, welchen Einfluss AWB auf das Verschreibungsverhalten von Ärzten in Deutschland nehmen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in Plos Medicine.
In ihrer Studie schlossen die Wissenschaftler knapp 7.000 Mediziner ein, etwa die Hälfte von ihnen nahm an AWB teil. Für die Teilnahme bekommen Ärzte eine Aufwandsentschädigung von den Pharmaunternehmen, durchschnittlich 140 Euro pro Patient, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf Anfrage der Tagesschau mitteilt. Die höchsten gezahlten Entschädigungen seien im vergangenen Jahr 1.437 Euro pro Patient gewesen. Laut Arzneimittelgesetz richtet sich die Höhe nach dem Zeitaufwand für die erforderliche Dokumentation und „ist so zu bemessen, dass kein Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel entsteht.“ (§ 67 Abs. 6 Satz 3 AMG).
Doch einen gewissen Anreiz konnten die Wissenschaftler in ihrer Studie tatsächlich feststellten: Diejenigen Mediziner, die an einer AWB teilnahmen, verschrieben das zu untersuchende Arzneimittel anstatt eines Alternativpräparats 7 bis 8 % häufiger als Mediziner aus der Kontrollgruppe. Studienautor Klaus Lieb von der Uniklinik Mainz nennt das Ergebnis hochsignifikant. Sieben bis acht Prozent mehr Verordnungen höre sich vielleicht nicht viel an, wird Lieb in Medien zitiert, aber wenn man wisse, dass sich die Medikamentenausgaben in Deutschland im Milliardenbereich bewegen, „dann sind das schon sehr große Beträge“.
„Für mich ist das eine Art von legaler Korruption“, erklärt der SPD-Politiker Karl Lauterbach gegenüber NDR, WDR und SZ. „Den in AWB vorgenommenen Beobachtungen steht kein wissenschaftlicher Wert gegenüber.“ Nebenwirkungen müssten Ärzte ohnehin melden. „Insofern sind die AWB nichts anderes als eine Strategie des Unternehmens, dem Arzt einen Anteil an den Verschreibungen zu geben. Das führt zu falschen Anreizen.“
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