Für Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas wirkt sich im Modell die genetische Ausgangslage auf das Ausmaß dieser Krankheiten aus. Doch auch umweltbedingte Veränderungen der Darm-Mikrobiota können die Anfälligkeit zur Entstehung eines metabolischen Syndroms beeinflussen.
Auf der Suche nach den Ursachen für Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas und Diabetes hat ein Wissenschaftlerteam des Helmholtz Zentrums München ein ganzes Netzwerk an Einflussfaktoren aufgedeckt. Neben der Ernährung, der Umwelt und der Genetik spielt auch die Zusammensetzung der Darmbakterien eine Rolle. „Unsere Ergebnisse bestätigen, dass das Darm-Mikrobiom sehr leicht durch die Nahrung und Umgebung beeinflusst werden kann“, beschreibt Erstautor Dr. Siegfried Ussar die Ergebnisse. „Die Auswirkungen dieser Veränderungen auf den Organismus hängen jedoch stark von den genetischen Voraussetzungen des Einzelnen ab.“
Die Ergebnisse haben auch Auswirkungen auf aktuelle Forschungsvorhaben, die darauf abzielen, Adipositas durch den Transfer von Darm-Bakterien zu begegnen. Vorhergehende Arbeiten konnten bereits zeigen, dass das Darm-Mikrobiom sich zwischen schlanken und adipösen Personen unterscheidet. Dementsprechend laufen aktuell Studien, die versuchen zu klären, ob sich ein Transfer bestimmter Darm-Bakterien positiv auf metabolische Krankheiten auswirkt. „Unsere Erkenntnisse legen nahe, dabei den Fokus stärker auf den individuellen genetischen Hintergrund des Empfängers zu richten“, blickt Ussar voraus. Für ihre Experimente untersuchten die Wissenschaftler drei unterschiedliche Tiermodelle aus unterschiedlicher Haltung und mit unterschiedlich genetisch vorprogrammierten Stoffwechsel-Eigenschaften – unter anderem Adipositas. Sie verglichen diese Exemplare mit solchen, die über mehrere Generationen gehalten wurden. „Interessanter Weise führte veränderte Nahrung und Umgebung bei einer bestimmten genetischen Ausgangslage zu einem Rückgang des Übergewichts“, beschreibt Ussar. „Ist der genetische Hintergrund allerdings ein anderer, spielt die neue Umgebung keine Rolle mehr.“
Die Forscher gehen davon aus, dass dieses Phänomen durch eine veränderte Zusammensetzung der Bakterien im Darm zustande kommt, die wiederum mit der Genetik zusammenhängt. Co-Autor Jeffrey Gordon von der Washington University fasst die Ergebnisse mit einem Satz so zusammen: „Abhängig vom genetischen Hintergrund des Wirts können umweltbedingte Veränderungen der Darm-Mikrobiota die Anfälligkeit zur Entstehung eines metabolischen Syndroms stark beeinflussen.“ Zwei Erkenntnisse stellen die Autoren besonders heraus: „Zum einen liefert die Studie neue Hinweise für die Auswertbarkeit und Übertragbarkeit von in vivo-Versuchen zwischen Laboren“, so Ussar. „Darüber hinaus können wir aus den Untersuchungen mit Tiermodellen auch erste Rückschlüsse auf die Anwendbarkeit beim Menschen ziehen.“ Originalpublikation: Interactions between Gut Microbiota, Host Genetics and Diet Modulate the Predisposition to Obesity and Metabolic Syndrome Siegfried Ussar et al.; Cell Metabolism, doi:10.1016/j.cmet.2015.07.007; 2015