Nach einem ernüchternden Zahnarztbesuch, den ich in Sorge verbracht hatte, folgte ein Termin bei meiner Hausärztin. Ich war voller Hoffnung: Hier würde man sicher verantwortungsvoller mit der Corona-Situation umgehen.
Nachdem ich frustriert die Praxis meiner (jetzt ehemaligen) Zahnärztin verlassen hatte, die ja der Meinung war, dass sie genug gegen die Verbreitung des Coronavirus tun würde, wenn sie ihre Patienten sofort nach dem Betreten der Praxis aufforderte, ihre Hände zu waschen, ging ich direkt zu meiner Hausärztin. Heute war mein freier Tag und der Kleine durfte mal wieder in die Kita. Das musste ausgenutzt werden.
Bevor jetzt wieder alle mit Globuli nach mir werfen und „Ärzte-Bashing“ schreien, sei gesagt, dass es sich hierbei um meine persönlichen Erfahrungsberichte handelt und keinen Angriff auf ganze Berufsgruppen darstellt. Jede Berufsgruppe hat schwarze Schafe und wenn man über diese berichtet, heißt das noch lange nicht, dass so auch alle anderen sind. Entspannt euch.
Ich stand also vor der Tür meiner Hausärztin und war verwundert, nicht einen einzigen Zettel daran kleben zu sehen, der irgendwie darauf hinwies, dass eine Maske getragen werden soll oder sonst wie um Anstand/Abstand gebeten wurde. So kenne ich es zumindest aus dem Ärztehaus bei meiner Apotheke.Gerade, als ich die Tür von außen öffnen wollte, wurde sie von innen geöffnet und eine maskenlose Frau kam mir entgegen.
Ich dachte mir erstmal nichts dabei, denn ich kenne das ja schon von meinen Kunden, die sich sofort die Maske vom Gesicht reißen, wenn sie bezahlt haben und endlich die Apotheke verlassen können. Es ist nämlich kein Geheimnis: Corona-Viren können nur von den Menschen ausgestoßen werden, die sich auf dem Weg in die Apotheke befinden. Die, die auf dem Weg raus aus der Apotheke sind, können niemanden infizieren. Warum das so ist? Das weiß ich nicht. Möglicherweise gilt das gleiche ja auch für Arztpraxen. Ich habe ja seit Monaten keine mehr betreten.
Meine dritte FFP2-Maske an diesem Tag tragend, betrat ich die Praxis. Dort fand ich lediglich die MFA vor, die hinter einer Plexiglasscheibe saß und einen Kinnschutz trug. Solange sie dahinter bleibt, kann ich damit leben. Ich gab ihr also meine Versichertenkarte und setzte mich. Nachdem sie mit dem Einlesen fertig war, stand sie auf und brachte mir die Karte. In der Prä-Coronazeit hätte ich das dankbar zu schätzen gewusst, doch während der Coronazeit empfand ich es als nicht so angenehm, dass sie plötzlich direkt vor mir stand und mich mit ihrer am Kinn hängenden Maske beinahe an der Nase kitzelte. Danke für die Karte und danke für die Rücksichtslosigkeit. Ein anderer Patient hätte vielleicht nur einen einfachen Mund-Nasen-Schutz getragen.
An diese Stelle passt vielleicht die Geschichte mit der jungen Ärztin in der Notaufnahme gut, die vorbildlich einen MNS trug und sich (sehr wahrscheinlich) an einem Patienten infizierte, dem der MNS immer unter die Nase rutschte. Die Viren suchten sich ihren Weg aus seiner Nase, durch ihren MNS, direkt in ihren Rachen und vermehrten sich dort.
So schnell kann’s gehen. Zack: Positiv. Hätte sie eine FFP2-Maske getragen, hätte sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht infiziert. Ist klar. Hätte er den MNS korrekt getragen, aber auch nicht.
Zurück zur Geschichte: Während die MFA also ein wenig ohne Maske durch die Praxis lief, öffnete sich die Tür zum Behandlungszimmer und meine Ärztin kam kurz raus. Auch sie trug keine Maske. Das verwunderte mich doch sehr, machte sie doch sonst immer einen vernünftigen Eindruck. Ich schaute heimlich in ihr Zimmer und sah den Patienten vor ihrem Schreibtisch sitzen. Seine Maske hatte er sich unters Kinn gezogen.
Meine Ärztin ging wieder zurück in ihr Behandlungszimmer und schloss die Tür. Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere und ein älterer Herr, auch gänzlich ohne Maske, betrat die Praxis. Wie ich sogleich erfuhr, war der ältere Herr ihr Ehemann, von dem ich wusste, dass er ebenfalls Arzt war und seine Praxis unter ihrer hatte. Auch er schien kein Risiko darin erkennen zu können, ohne Maske durch das Ärztehaus zu laufen.
Da meine Ärztin aber gerade einen Patienten hatte, ging er wieder, ohne mit ihr gesprochen zu haben, nicht aber ohne möglicherweise infektiöses Aerosol verteilt zu haben. Ein paar Minuten später betrat eine andere Frau die Praxis, ebenfalls komplett ohne Maske. Die Frau ging direkt ins Behandlungszimmer. Sie war keine Patientin. Der junge Mann war mittlerweile fertig und wartete mit Kinnmaske nun auf sein Rezept.
Währenddessen saß ich noch immer mit meiner FFP2-Maske auf einem Stuhl und fühlte mich, als wäre ich der einzige, der nicht mitbekommen hatte, dass Corona endlich vorbei war. Alles wirkte absurd, als wäre ich in einem falschen Film.
Jeden Tag sage ich weit über hundertmal zu meinen Kunden in der Apotheke: „Sie müssen hier bitte eine Maske tragen“ und „Ziehen Sie bitte Ihre Maske über die Nase, so bringt das nichts.“ Es wäre für mich einfacher, mich nicht den ganzen Tag über das Verhalten der Menschen aufzuregen und einfach nichts zu sagen. Aber es geht hier nicht um mich. Es geht darum, dass kein virushaltiges Aerosol in der Luft steht, durch das der nächste Kunde dann durchläuft. Denn selbst wenn er aus Anstand einen einfachen MNS tragen würde, kann das Virus da, wie erwähnt, einfach hindurch und ihn dann möglicherweise infizieren.
Und hier in der Praxis meiner Ärztin schien man, genau so wenig wie bei meiner Zahnärztin, noch nie etwas von Aerosol gehört zu haben.
Für mich gibt es mindestens zwei Dinge, durch die ein Arzt bei mir in Ungnade fallen kann. Wenn er mir Homöopathie oder andere Pseudomedizin empfiehlt, und/oder wenn er Impfgegner ist. Das nimmt ihm die Glaubwürdigkeit.
Und wenn ich meinen Arzt nicht ernst nehmen kann, muss ich mir einen neuen suchen. Von nun an kommt noch ein dritter Punkt hinzu, wie ein Arzt bei mir in Ungnade fallen kann: Wenn er durch seine Unvernunft die Gesundheit seiner Patienten in Gefahr bringt.
Die meisten werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass ein Arzt, der nicht dafür sorgt, dass jeder Mitarbeiter und jeder Patient ordentlich eine Maske trägt und vor allem, wenn er es selbst nicht tut, mit diesem Verhalten seine Patienten und dessen Angehörige sowie alle anderen, mit denen der Patient Kontakt hatte, in Gefahr bringt, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren.
Wir haben eine Pandemie und sie ist noch nicht vorbei und sie wird noch viel länger dauern, wenn keiner sie mehr ernst nimmt.
Nachdem die Frau das Behandlungszimmer verließ, durfte ich zu meiner Ärztin.
„Wie geht es Ihnen?“
„Gut. Wie geht es Ihnen?“
„Auch gut. Wie ist es während der Coronazeit in der Apotheke?“
„Sehr anstrengend! Bei Ihnen?“
„Ja, auch. Vor allem den ganzen Tag eine Maske zu tragen, ist wirklich anstrengend. Deshalb setze ich sie öfter mal ab. Mit offenem Fenster geht das dann schon.“
Das offene Fenster reduzierte das Risiko, zumindest in diesem Raum. Trotzdem war es aber noch immer vorhanden. Außerdem saß man sich gegenüber und sprach miteinander. Und bei der Untersuchung war nicht mal mehr dieser Abstand gewahrt.
„Also mir wäre das zu riskant.“
Sie schien das alles nicht ganz ernst zu nehmen.
Als ich bei ihr fertig war, verließ ich die Praxis und setzte meine vierte FFP2-Maske an diesem Tag auf, da auch die dritte bereits durchnässt war. Zu Hause werden sie für 90 Minuten bei 90 °C in den Backofen gepackt und selbstverständlich anschließend wiederverwendet.
Ich hatte ein ungutes Gefühl. Erst die Geschichte mit meiner Zahnärztin und nun die mit meiner Hausärztin, die ich eigentlich mochte. Bei ihr saß ich öfter mal eine ganze Stunde im Behandlungszimmer. Sie nahm sich immer viel Zeit. Aber jetzt hatte sich mein Bild von ihr geändert, denn darüber konnte ich, so leid es mir tat, nicht hinwegsehen. Und das ist wirklich schade.
Eine kleine Geschichte fällt mir aber noch dazu ein: Ein junge Frau betrat zwei Tage später — ohne Maske — die Apotheke. „Sie müssen hier drin bitte eine Maske tragen“, rief ich ihr freundlich zu, als sie auf mich zukam. Sie schaute mich erstaunt an und erwiderte: „Ich habe keine Maske dabei.“
Das überraschte mich etwas, da sie ja in ihrer rechten Hand ein Rezept hielt.„Sie müssten trotzdem irgendwie Mund und Nase bedecken.“
Sofort zog sie ihr T-Shirt bis über die Nase.
„Warum haben Sie denn Ihre Maske weggeworfen, nachdem Sie bei Ihrem Arzt waren?“, wollte ich wissen, nachdem sie mir ihr Rezept in die Hand gedrückte hatte. Sie schaute mich verwundert an und erwiderte: „Ich hatte keine Maske. Bei meinem Arzt brauchte ich keine!“
Ich kann das nicht nachvollziehen! Trotz allem scheinen aber meine beiden Ärztinnen und der Arzt der jungen Dame eher die Ausnahmen zu sein. Wie ich von einigen Usern auf Twitter gehört habe, läuft bei ihren Ärzten alles vorbildlich. Das macht Hoffnung.
#DerApotheker
Bildquelle: Sagar Patil, unsplash