In Deutschland breitet sich Skabies weiter aus, wie aktuelle Zahlen zeigen. Dermatologen erkennen die Erkrankung zwar zuverlässig, doch es gibt andere Probleme: Es kam erneut zu monatelangen Lieferengpässen bei einem wichtigen Arzneistoff für die systemische Therapie.
Die Barmer hat untersucht, wie oft Ärzte Medikamente zur Skabies-Therapie aufschreiben. Zwischen 2016 und 2017 hat sich die Gesamtzahl an Rezepten bei Versicherten von 38.127 auf 61.255 erhöht. Das entspricht einem Plus von 60 Prozent.. Bei der medikamentösen Therapie gibt es drei Möglichkeiten: Permethrin, Ivermectin und Benzylbenzoat – zumindest in der Theorie. In der Praxis stehen meistens nicht alle drei Arzneimittel zur Verfügung. Der Grund sind Lieferengpässe. „Ärzte verschreiben wieder deutlich mehr Krätze-Medikamente, und zwar in allen Regionen Deutschlands“, sagt die Dermatologin Dr. Utta Petzold. Besonders stark war der Zuwachs in Schleswig-Holstein (127 Prozent), gefolgt von Bremen (98 Prozent) und Rheinland-Pfalz (89 Prozent). © Barmer Die Expertin geht ebenfalls davon aus, dass Hautärzte entsprechende Infestationen rasch erkennen: „Ähnlich stark dürfte auch die Anzahl der Erkrankten gestiegen sein.“ Beschwerden wie nächtlicher Juckreiz, aber auch gerötete Papeln in Hautfalten liefern erste Hinweise. Die Erkrankung ist bei ambulanter Therapie nicht meldepflichtig. Deshalb existieren keine akkuraten Zahlen.
Auslöser der Beschwerden ist die Krätzemilbe (Sarcoptes scabiei var. hominis), ein Spinnentierchen. Je nach immunologischem Status des Patienten treten unterschiedliche Formen auf. Die gewöhnliche Skabies tritt bei Patienten mit intaktem Immunsystem auf. Dermatologen achten nicht nur auf Ekzeme als Folge der Immunreaktion. Unter dem Mikroskop erkennen sie kommaartige, unregelmäßig gewundene, wenige Millimeter lange, weißliche Gänge. In den meisten Fällen ist eine ambulante Therapie möglich.
Im Unterschied zur gewöhnlichen Skabies mit überschaubaren Milbenzahlen breitet sich der Parasit bei Skabies crustosa millionenfach aus. Patienten haben häufig ein supprimiertes Immunstem. Auch bei körperlichen Einschränkungen, die Patienten hindern, sich zu kratzen, kann es zu dieser Form kommen. Das sind Demenzen, Paresen oder Paraplegien. Skabies crustosa ist hoch ansteckend. Bereits kurze Hautkontakte mit anderen Personen können zur Infestation führen. Deshalb sollten Patienten rasch isoliert werden. Der ansonsten typische Juckreiz ist abgeschwächt oder fehlt komplett. Auffällig sind Hyperkeratosen, also starke Verhornungen der Haut. Dermatologen versuchen bei der Therapie, Skabies-Milben, Larven und Eier mit geeigneten Wirkstoffen abzutöten. Das Robert Koch-Institut nennt lokal anzuwendende Präparate mit Permethrin, Benzylbenzoat und Crotamiton:
„Grundsätzlich ist Permethrin topisch das Mittel der ersten Wahl“, heißt es im Epidemiologischen Bulletin. Das Präparat kann ab dem dritten Lebensmonat eingesetzt werden. Patienten müssen es nur einmal auftragen.
Bei Bianka K. wählte der Dermatologe eine andere Strategie. Die Patientin arbeitet in der Kita. Deshalb wurde sie nicht nur krankgeschrieben, um eine weitere Ausbreitung zu stoppen. Sie sollte außerdem orales Ivermectin einnehmen. Hier werden einmalig 200 µg des Wirkstoffs pro Kilogramm Körpergewicht gegeben. „Das Medikament wirkt sehr zuverlässig und ist vor allem bei Kindern hilfreich, bei denen der Einsatz von Cremes oft nicht ausreicht“, sagt Dr. Heinrich Rasokat, Dermatologe an der Uniklinik Köln. Schön und gut, nur hörte die Patientin in fünf Apotheken die gleiche Geschichte: Ivermectin-haltige Präparate seien momentan nicht lieferbar. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Engpässe bis März 2018 dokumentiert. Woran das liegt, ist unklar. Der Hersteller wurde möglicherweise vom hohen Absatz überrascht. Ärzten blieb nur Permethrin als Alternative. Sollten Patienten nicht auf diesen Wirkstoff reagieren oder sollten sie an Skabies crustosa leiden, sieht es ohne Ivermectin schlecht aus. Auch bei unklarer Mitarbeit des Patienten präferieren Ärzte orale gegenüber topischen Therapien. Aktuell entspannt sich die Lage wieder und Apotheken können entsprechende Rezepte liefern. Wann der nächste Engpass droht, ist eine andere Frage.
Mit der Gabe von Arzneimitteln ist es jedoch nicht getan. Das RKI rät außerdem zu folgenden Maßnahmen, auf die Ärzte im Gespräch mit Betroffenen unbedingt eingehen müssen:
Enge Kontaktpersonen sollen vom Arzt darüber informiert werden, dass sie – speziell bei Skabies crustosa – andere Personen infizieren, bevor sie Symptome bemerken. Falls es zu Juckreiz oder zu Hautveränderungen kommt, ist sofort der Hautarzt aufzusuchen. „Standby-Verordnungen“, wie in den USA üblich, findet man bei uns eher selten. Dabei erhalten Patienten eine Verordnung mit dem Hinweis, beim Auftreten von Beschwerden ihr Arzneimittel abzuholen und anzuwenden.