Um ein Gerinnsel aufzulösen, gibt es verschiedene Vorgehen. Ob eine Kombination aus Lyse, gefolgt von Thrombektomie bessere Ergebnisse als die alleinige Thrombektomie bringt, ist nicht geklärt. Jetzt soll es eine Antwort geben.
Nach einem Schlaganfall durch einen Thrombus muss so schnell wie möglich die Durchblutung der betroffenen Hirnregion wiederhergestellt werden. Dies kann mit einer medikamentösen Thrombusauflösung oder durch mechanische Entfernung des Thrombus mit einem Gefäßkathetereingriff erfolgen. Eine aktuell in The New England Journal of Medicine publizierte Studie vergleicht die alleinige Thrombektomie mit der Kombination beider Verfahren.
Die meisten Schlaganfälle sind ischämischer Natur – das heißt, sie entstehen durch den Verschluss einer hirnversorgenden Arterie. Die Ursache ist meist ein Thrombus bzw. Embolus, welcher das Blutgefäß verstopft. Die zu dem Gefäß gehörende Gehirnregion wird dann nicht mehr beziehungsweise nicht mehr ausreichend durchblutet und mit Sauerstoff versorgt. Damit es nicht zu bleibenden Schäden durch Absterben von Gehirnzellen kommt, muss die Perfusion durch eine Wiedereröffnung des Gefäßes möglichst schnell wiederhergestellt werden – je rascher, desto besser („time is brain“).
Die Behandlung erfolgt, wenn nichts dagegenspricht, durch eine medikamentöse Auflösung des Gerinnsels – eine intravenöse Thrombolyse, kurz Lyse, innerhalb eines Zeitfensters von 4,5 Stunden. Wenn beim Verschluss eines großen Hirngefäßes die intravenöse Lysetherapie nicht ausreicht, kann das Gerinnsel in spezialisierten Kliniken mit einem Gefäßkatheter-Eingriff entfernt werden. Ob ein kombiniertes Vorgehen (erst Lyse, gefolgt von Thrombektomie) bessere Ergebnisse als die alleinige Thrombektomie bringt, ist nicht geklärt – es sind dabei Nutzen und Risiken zu diskutieren. Prinzipiell ist durch die Kombination beider Verfahren, also durch die Therapieintensivierung, ein besseres Patientenoutcome denkbar, aber ebenso ein schlechteres (beispielsweise durch ein erhöhtes Blutungsrisiko). Da eine zusätzliche Lysetherapie auch mit zusätzlichen Kosten einhergeht, stellt sich die Frage, ob nicht die alleinige Thrombektomie zumindest zum gleichen Outcome führt.
Diese Fragen beantwortet nun eine chinesische Studie, die an 41 klinischen Zentren die endovaskuläre Thrombektomie mit oder ohne vorangehender Lysetherapie verglich. Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall aufgrund des Verschlusses eines großen Hirngefäßes wurden zu gleichen Teilen randomisiert. Es gab die Gruppe „alleinige Thrombektomie“ und die Gruppe „Lyse plus Thrombektomie“, wobei erst eine intravenöse Lyse mit dem Medikament Alteplase (auch „rt-PA“) in der Dosierung 0,9 mg/kg Körpergewicht durchgeführt wurde, gefolgt von einer Thrombektomie. Die statistische Nichtunterlegenheits-Analyse untersuchte den Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich der neurologischen Folgeschäden nach 90 Tagen (primärer Endpunkt) anhand der modifizierten Rankin-Skala (mit Werten von 0 [keine Behinderung] bis 6 [Tod]). Von 1.586 gescreenten Patienten konnten 656 in die Studie eingeschlossen werden, 327 waren in der Thrombektomie-Gruppe und 329 in der Gruppe mit Kombinationstherapie.
Im Ergebnis war im Hinblick auf den primären Endpunkt die alleinige Thrombektomie der Kombinationstherapie nicht unterlegen (adjustierte OR 1,07; p=0,04). Jedoch war mit der Kombinationstherapie der Patientenanteil mit bereits vor der Thrombektomie erreichter erfolgreicher Reperfusion größer (7 versus 2,4 Prozent). Auch der Anteil an Patienten insgesamt mit erfolgreicher Reperfusion (also in beiden Gruppen nach der Thrombektomie) war mit der Kombinationstherapie höher als mit alleiniger Thrombektomie (84,5versus 79,4 Prozent). Die 90-Tages-Mortalität betrug in der Thrombektomie-Gruppe 17,7 und in der Gruppe mit Kombinationstherapie 18,8 Prozent (p=0,7). Hinsichtlich der Sicherheit gab es zwischen den Gruppen ähnliche Ergebnisse, zu schwereren unerwünschten Ereignissen kam es bei alleiniger Thrombektomie bei 37 Prozent der Patienten (versus 36,8 Prozent in der Kombinationstherapiegruppe). Insbesondere war das Risiko symptomatischer Hirnblutungen in der Gruppe mit „Thrombektomie nach Lyse“ statistisch nicht signifikant höher (6,1 gegenüber 4,3 Prozent bei alleiniger Thrombektomie, p=0,3).
„In dieser Studie wurde gezeigt, dass die alleinige Thrombektomie dem kombinierten Vorgehen primär nicht unterlegen ist; allerdings war die Studie nicht angelegt, um eine Überlegenheit der Kombinationstherapie zu zeigen“, so Professor Dr. med. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Bielefeld, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). „Eine Überlegenheit der Kombinationstherapie ist nicht ausgeschlossen, dies ist möglicherweise an den besseren Reperfusionsergebnissen erkennbar – hierzu sind aber weitere Studien notwendig. Auch ist letztlich immer die Frage, inwieweit chinesische Daten auf die europäische Bevölkerung übertragen werden können.“
„Entscheidend ist und bleibt beim Schlaganfall, wie schnell die Behandlung von statten geht“, erklärt Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen, Pressesprecher der DGN. „Nicht jede Klinik kann eine Thrombektomie durchführen, aber überall kann eine Lyse begonnen werden. Wenn darüber hinaus eine Thrombektomie indiziert ist und der Patient dazu in eine andere Klinik verlegt werden muss, entsteht ihm nach dieser Studie kein Schaden, wenn während des Transportes eine Lyse durchgeführt wird. Das ist ein relevantes Ergebnis für den klinischen Alltag.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
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