RNAs übermitteln genetische Informationen als Bauanleitung für Proteine und müssen dabei vor einem vorzeitigen Abbau geschützt werden. Ein molekularer Komplex um das Protein NCBP3 stabilisiert bestimmte RNAs und kommt vor allem bei zellulären Stresssituationen vor.
Wer nicht spurt, wird zerlegt: Fehlerhafte Moleküle müssen abgebaut werden, bevor sie der Zelle schaden können. Damit nicht auch neu entstehende und damit noch funktionslose RNA-Moleküle unter die Räder kommen, werden sie bereits während ihrer Synthese mit einer molekularen „Kappe“ als Schutz versehen. So ist das gefährdete Ende des Moleküls maskiert und die zelluläre Müllabfuhr greift nicht an. An diese Kappe bindet ein „cap binding complex“ (CBC), der stabilisiert und weitere Aufgaben erfüllt: Der CBC steuert die Prozessierung der RNA-Moleküle, wozu etwa die Entfernung unnötiger Abschnitte gehört. Ein wichtiger Schritt bei den mRNAs ist der Export aus dem Zellkern. Nur außerhalb des Zellkerns im Zellinnern können sie als Bauanleitung für Proteine dienen. Das neu entdeckte Protein NCBP3 (grün markiert) bei der Arbeit im Zellkern (blau markiert). Die gestrichelte Linie stellt die Zellabgrenzung dar. © Andreas Pichlmair/MPI für Biochemie Nach vorherrschender Meinung besteht der CBC ausnahmslos aus zwei verschiedenen „nuclear cap binding proteins“ (NCBP1 und 2), die sich im Tandem an das kappentragende Ende der betreffenden RNA heften. Dementsprechend sollten beide NCBPs für Prozesse wie den mRNA-Export aus dem Zellkern essentiell sein. Wie die aktuelle Studie zeigt, schränkt ein Verlust von NCBP2 aber weder diesen Vorgang noch die Lebensfähigkeit der Zelle ein. „Dafür konnten wir eine andere Komponente identifizieren, die in Verbindung mit NCBP1 auftritt, die wir NCBP3 nannten“, sagt Andreas Pichlmair, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB). Dieses Protein kommt bei den meisten höheren Organismen vor und ist in seiner Struktur hoch konserviert, also wenig variiert - was eine essentielle Funktion vermuten lässt.
Die konventionelle Kappe mit NCBP2 ist vor allem mit mRNAs und kleineren RNAs assoziiert. Der neu gefundene Komplex tritt dagegen nur bei mRNAs auf, die einer intensiven Weiterverarbeitung bedürfen. Zudem ist er vor allem wichtig, wenn die Zelle gestresst ist – zum Beispiel bei viralen Infektionen. Eventuell könnte der CBC um NCBP3 auch eine Rolle in Erkrankungen spielen, bei denen die RNA-Prozessierung gestört ist. Die Forscher hoffen, dass die neu gewonnen Erkenntnisse auch neue Therapieansätze eröffnen. Weitere Studien sollen nun zeigen, ob und in welcher Form NCBP3 an der Virenabwehr und Entstehung von Krankheiten beteiligt ist. Sicher ist schon jetzt, dass die Prozessierung von RNA-Molekülen und damit einer der zentralen Prozesse der Zelle weitaus komplexer ist als bisher angenommen und zudem über äußere Einflüsse gesteuert wird. Originalpublikation: NCBP3, a cap-binding protein involved in mRNA biogenesis Andreas Pichlmair et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms9192; 2015