Ebola-, Marburg- oder Lassaviren – die Erforschung dieser tödlichen Erreger ist gefährlich, aber wichtig. Wie wird mit ihnen gearbeitet? Wir haben im Hochsicherheitslabor am RKI nachgefragt.
Bundesweit gibt es nur vier Labors der biologischen Schutzstufe 4. Unter dieser Risikogruppe versteht man laut Biostoffverordnung (BioStoffV) folgendes: „Biostoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen“ und gegen die es in vielen Fällen keine Therapie oder Prävention gibt. Diese vier Orte in Deutschland sind:
Wie wird in solchen Bereichen gearbeitet? Die DocCheck News sprachen mit Dr. Andreas Kurth. Er ist Leiter des Hochsicherheitslabors am Robert Koch-Institut.
„Anfang der 2000er-Jahre hat das RKI das Zentrum für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene eingerichtet“, so Kurth. Ziel sei, Gefahren hochpathogener Erreger zu erkennen, zu bewerten und darauf zu reagieren – ob als Folge natürlicher Infektionen oder terroristischer Aktivitäten. „Deshalb ist es auch wichtig, mit Erregern der biologischen Sicherheitsstufe 4 arbeiten zu können, und Planungen für das Labor haben begonnen“, so Kurth.
Der Bau wurde 2015 abgeschlossen. Dann folgte der Probebetrieb mit umfangreichen Tests zur Validierung der Technik. Auch wurden Personen trainiert, um im Labor zu arbeiten, jedoch ohne Erreger. Am 31. Juli 2018 nahm das Labor seinen Betrieb auf. „Zu diesem Zeitpunkt bekamen wir die ersten Röhrchen mit hochpathogenen Erregern aus anderen Labors“, berichtet der Experte.
Kurth: „Die eigentlichen Arbeiten, die wir im S4-Labor durchführen, unterscheiden sich hinsichtlich der Methodik nicht vom Umgang mit weniger pathogenen Erregern.“ Vielmehr gehe es um die Sicherheit. Nach dem Gentechnikgesetz handelt es sich um ein Labor der Sicherheitsstufe (S4), nach der Biostoff-Verordnung (BioStoffV) Schutzstufe 4. International gibt es diese Differenzierung nicht.
Im BSL-4- oder kurz S4-Labor des RKI werden derzeit Ebola-, Marburg-, Nipah-, Lassaviren und Krim-Kongo-Hämorrhagisches-Fieber-Viren untersucht. Manche Influenzaviren, Hepatitisviren oder Coronaviren wie SARS-CoV-2 fallen in die Risikogruppe 3. Experimente sind in S3-Labors mit hohem, aber im Vergleich zur Stufe 4 etwas niedrigerem Schutzniveau möglich. Zur Risikogruppe 2 gehören beispielsweise verschiedene Herpes-simplex-Viren, das Varizella-Zoster-Virus, das Mumps- und das Masernvirus, Noroviren, bestimmte Influenzaviren, aber auch verschiedene Spulwürmer. Bleibt noch die Risikogruppe 1 mit verschiedenen Hefen, Lactobacillen oder nicht humanpathogene Viren.
S4-Labors sind baulich abgetrennt, gasdicht, haben eine separate Luftzufuhr und ein Schleusensystem. Im Inneren herrscht ein kontrollierter Unterdruck, damit im Falle eines Falles keine Erreger entweichen.
Das S4-Labor hat nicht nur – wie vorgeschrieben – Redundanzen bei wichtigen Systemen wie der Stromversorgung. Kurth: „In Wirklichkeit haben wir zwei autarke S4-Labore.“ Jede dieser Einheiten muss einmal pro Jahr gewartet werden, was gesetzlich vorgeschrieben ist, mehrwöchige Ausfallzeiten inklusive. „Wir können unsere beiden Labors unabhängig voneinander warten, ohne dass wir Ausfallzeiten hätten“, erzählt Kurth. „So können wir Diagnostik und Forschungsprojekte ohne Unterbrechung durchführen.“ Dahinter steckte vor allem die Überlegung, Diagnostik ohne Unterbrechung anzubieten.
Zu den Details: „Jede Person, die im Labor arbeitet, durchläuft ein umfangreiches Trainingsprogramm“, sagt der Experte. „Vor allem die Schutzanzüge mit der separaten Luftzuführung sind etwas Besonderes im Vergleich zu anderen Schutzstufen.“ Der Umgang damit sei eine Gewöhnungssache. „Man muss beispielsweise trainieren, Probenröhrchen mit drei Paar Handschuhen zu öffnen.“
Kurth: Ansonsten ist das Procedere immer gleich: Wir gehen in das Labor, überprüfen den Schutzanzug, testen das Kommunikationssystem und betreten dann das Labor.“ Niemand arbeitet allein; bei gefährlicheren Tätigkeiten arbeiten immer Zweierteams zusammen.
Die biologische Methodik selbst unterscheidet sich nicht grundlegend von Labors anderer Sicherheitsstufen. Abfall wird vor der regulären Entsorgung autoklaviert: ein Vorgang, den Ärzte auch aus anderen Labors oder aus Kliniken kennen. Kurth: „Beim Ausschleusen geht es über Dekontaminationsduschen. Dann verlässt man den Bereich wieder.
Ein Blick auf laufende Projekte im Fachbebiet Hochsicherheitslabor zeigt: Alle Gruppen beschäftigen sich mit Pathogenen der Risikogruppe 4. „In der Gruppe Experimentelle Infektion und Transmission erforschen wir die Pathogenese und Übertragungsmechanismen von hämorrhagischen Fieberviren, zurzeit speziell Ebola“, erzählt der Forscher. „Wir suchen ein mögliches, natürliches Reservoir und wollen dies experimentell belegen.“
Zum Hintergrund: Ebolaviren kennt man schon lange. In regelmäßigen Abständen gibt es kleinere Ausbrüche; in 2014 war die bislang größte Epidemie. Seit über 40 Jahren will man herausfinden aus welchem natürlichen Reservoir der Erreger kommt. Feldstudien bringen Fledermäuse damit in Zusammenhang – nur gibt es viele Arten, und wenige werden von Bedeutung sein. Mops condylurus, die Angola-Bulldoggfledermaus, ist durch Feldstudien in den Fokus gerückt. Kurth: „Wir versuchen, im Labor durch experimentelle Infektion nachzuweisen, dass die Tiere von Bedeutung sind, wie Übertragungen ablaufen und ob die Ausscheidungen der Fledermäuse ebenfalls mit Ebolaviren belastet sind“, berichtet Kurth.
Bei einem ähnlichen Projekt geht es um natürliche Reservoire von Lassaviren. Die Natal-Vielzitzenmaus (Mastomys natalensis) ist ein bereits bekanntes natürliches Reservoir. „Wir untersuchen, wie lange die Nager Viren ausscheiden, wie sich Viren in einer Population verbreiten, um Übertragungsrisiken auf den Menschen besser zu verstehen“, sagt der Wissenschaftler.
Sowohl Mops condylurus als auch Mastomys natalensis seien Infektionsmodelle, so Kurth. Im Unterschied dazu spreche man von Tiermodellen, wenn es um Mechanismen im Menschen gehe.
„Humanpathogene Fragestellungen untersucht die Arbeitsgruppe Vergleichende Immunologie“, erzählt Kurth. Hier geht es darum, wie unser Immunsystem auf Erreger der Risikogruppe 4 anspricht. „Wir wissen von Ebola, dass vor allem Immunreaktionen zur hohen Pathogenität der Erkrankung und damit zum starken Krankheitsverlauf führen.“ Das sei bei Reservoirtieren nicht der Fall.
Wie es zu den Unterschieden kommt, soll herausgefunden werden. „Mögliche Ergebnisse könnten als Ausgangspunkt für Therapeutika genutzt werden“, erklärt Kurth. „Wir arbeiten hier ausschließlich im Bereich der Grundlagenforschung.“
Die dritte Arbeitsgruppe untersucht Fragen zur Tenazität, also zur Widerstandsfähigkeit hochpathogener Erreger auf Oberflächen. Kurth: „Es gibt derzeit recht wenige Daten für Risikogruppe-4-Erreger zur Stabilität in der Umwelt oder zur Kontagiosität von Ausscheidungen – das sind Fragen, für die sich besonders Sonderisolierstationen und Gesundheitsämter interessieren.“
Welche Maßnahmen sind dort – oder auch im häuslichen Umfeld eines Patienten – erforderlich? Und wann kann man Patienten wieder nach Hause entlassen, ohne dass sie andere Familienmitglieder anstecken? Das wollen Forscher herausfinden, um eine Risikoabschätzung zu erreichen.
Das S4-Labor hat aber nicht nur rein wissenschaftliche Aufgaben. Zusammen mit anderen Einrichtungen dieser Sicherheitsstufe werden Tests auf diverse Viren angeboten. Kommerzielle Untersuchungsmöglichkeiten gibt es hier nicht. „Die Nähe zur Sonderisolierstation der Charité Berlin, Virchow-Klinikum, macht die Zusammenarbeit einfacher. Wir decken geographisch vor allem Berlin und den Osten Deutschlands ab“, so Kurth. Für Proben gelten Verpackungs- und Transportrichtlinien. Spezielle Kuriere befördern die Röhrchen bis ans RKI.
Auch hier unterscheiden sich die Verfahren nicht grundlegend von anderen biomedizinischen Labors. Man kann Proben aber auch inaktivieren, so dass keine intakten Viren mehr vorhanden sind. Nukleinsäuren werden in Fragmente gespalten oder Gewebeproben in Formalin fixiert. Dann ist eine Untersuchung auch außerhalb des S4-Labors möglich.
Bildquelle: NIAID, flickr