In der bisher größten Untersuchung dieser Art haben Wissenschaftler die individuellen Mikrobiome verschiedener Tumoren ausfindig gemacht. Wie sie herausfanden, beherbergt offenbar jeder Tumortyp seine ganz eigenen Bakteriengemeinschaften. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in Science veröffentlicht.
Bekannt ist bisher, dass Tumoren des Magen-Darm-Trakts häufig von Bakterien besiedelt werden. Wie eine mögliche Besiedlung aber bei anderen Krebsarten aussieht, etwa bei Brustkrebs, Glioblastomen oder Melanomen, ist bislang unklar. Deswegen haben Ravid Straussman und sein Team vom Weizmann Institut in Israel über 1.000 Tumorproben von sieben verschiedenen Krebsarten gesammelt und auf das Vorhandensein von Bakterien hin untersucht. Neben Tumoren aus Brust, Lunge, Pankreas und Ovar, analysierten sie auch Osteosarkome, Melanome und Glioblastome. Um bakterielle Kontaminationen der Proben auszuschließen, haben sie ihre Nachweis-Methode, das Next Generation Sequencing, abgeändert.
Verglichen mit Gewebeproben von Gesunden fanden sie in allen Tumortypen bakterielle Besiedlung. Doch der Anteil der Tumoren, in denen Bakterien nachgewiesen werden konnte, unterschied sich von Krebsart zu Krebsart: Während in über 60 % aller Proben von Knochen-, Brust und Pankreastumoren bakterielle DNA nachgewiesen werden konnte, fand sich die DNA nur in 14 % aller Melanome. Selbst in Tumoren, in denen man keine Bakterien vermuten würde, fanden sie welche – so etwa in Glioblastomen, also Hirntumoren.
Insgesamt haben die Forscher 528 verschiedene Bakterienarten in den Tumoren aufindig gemacht. Jeder Tumor beherbergte dabei eine individuelle Bakteriengemeinschaft. Vermutlich herrschen dort besondere Bedingungen, die eine Nische für bestimmte Bakterien bilden. Bei nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen (NSCLC) von Rauchern fanden sie zum Beispiel Arten, die die Bestandteile von Zigarettenrauch verstoffwechseln konnten. Im Fall von Knochenkrebs fanden sie Bakterien, die Hydroxyprolin metabolisieren. Dieses kommt im wesentlichen im Kollagen von Knochen vor und ist bei Knochenerkrankungen erhöht messbar.
Diese speziellen Bedingungen, die in den jeweiligen Tumoren herrschen, sind vermutlich einer der Gründe, warum sich die Bakterienzusammensetzungen unterscheiden. Ob die Bakterien das Tumorwachstum fördern oder gar ursächlich sind, ist unklar.
Für die Krebstherapie könnte es möglicherweise hilfreich sein, zu wissen, welche Bakterien sich in welchem Tumor befinden. Straussman hat Hinweise dafür gefunden, dass die Bakterien Krebszellen vor einer Therapie schützen können. „Wir haben vorläufige Ergebnisse aus unserem Labor, die zeigen, dass die Mikroben im Tumor die körpereigene Abwehr, also das Immunsystem modulieren“, erklärt Straussman. „Wir vermuten, dass sie den Krebszellen dabei helfen, dem Immunsystem auszuweichen. Und gleichzeitig werden auch die Mikroben dadurch nicht von den Abwehrzellen erkannt. Es ist also eine win-win Situation für Bakterien und Krebszellen.“ Die neuen Erkenntnisse könnten sich auf den Gebrauch von Antibiotika bei der Behandlung von Krebspatienten auswirken. Möglicherweise könnten spezifische Antibiotika bestimmte Tumoren anfälliger für eine Therapie machen.
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