Im Januar infizierte sich ein 38-jähriger Mann aus Wuhan in China mit SARS-CoV-2. Zunächst erkrankte er nicht allzu schwer an COVID-19, im Verlauf entwickelte er jedoch eine schwere Thrombozytopenie.
Der Patient stellte sich am 23. Januar mit Husten, Dyspnoe, Fieber und Muskelschmerzen in der Ambulanz des Union Hospital Wuhan vor. Die Symptome begannen, nach Angaben des Mannes, bereits 13 Tage zuvor.
Aufgrund der Beschwerden führten die Ärzte eine Computertomographie (CT) des Thorax durch. Auf den Aufnahmen zeigten sich mehrere Milchglastrübungen der Lunge. Die Laboruntersuchungen ergaben eine normale Thrombozytenzahl. Ein Test auf SARS-CoV-2 fiel positiv aus, sodass die Ärzte eine mäßig schwere COVID-19-Erkrankung diagnostizierten. Eine stationäre Aufnahme erfolgte vorerst nicht.
Eine Woche später allerdings, am 20. Tag nach Symptombeginn, wurde der Patient doch ins Krankenhaus eingeliefert. Alle Laborparameter waren unauffällig, mit Ausnahme einer erhöhten Konzentration von Fibrinogen (5,37 g/l; Referenzbereich 2,0–4,0 g/l). Der Mann wurde gemäß des von der Nationalen Gesundheitskommission Chinas herausgegeben Diagnose- und Behandlungsplans für COVID-19 therapiert. Er erhielt eine Behandlung mit Interferon-α (5 Mio. Einheiten zweimal täglich über 9 Tage, als Aerosol-Inhalation) sowie Umifenovir (0,2 g dreimal täglich über 7 Tage, oral).
Unter der Therapie besserten sich die Symptome des Mannes und die Lungenläsionen schienen nach einer Woche resorbiert zu sein. Nachdem der PCR-Test auf SARS-CoV-2 zweimal negativ ausfiel (Tag 27 und Tag 28), erfüllte der Patient die Entlassungskriterien. An Tag 29 jedoch zeigte eine erneute Laboruntersuchung eine isolierte Thrombozytopenie (2000 Zellen/µl). Die Fibrinogenkonzentration war weiterhin erhöht (4,40 g/l).
Die genauere Analyse der Lymphozyten und der Autoimmunantikörper zum Zeitpunkt des Thrombozytennadir zeigte einen relativen Anstieg der B-Zellen von 18,62 Prozent an Tag 21 auf 34,8 Prozent an Tag 29 (Referenzbereich 4,1–18,3 Prozent). Die behandelnden Mediziner fertigten deshalb Knochenmarkausstriche an. Hier zeigte sich, dass die meisten Zelllinien, mit Ausnahme einer geringen Anzahl von Plättchen-produzierenden Megakaryozyten, normal waren. Ein Test auf SARS-CoV-2 des Knochenmarkaspirats war negativ. Auch gab es keine Anzeichen von Blutungen oder Thrombosen während der stationären Behandlung oder während des Thrombozytennadirs.
Die behandelnden Ärzte gingen schließlich davon aus, dass die Beschwerden des Patienten auf Komplikationen einer akuten COVID-19-Infektion und einer postinfektiösen Immunthrombozytopenie zurückzuführen waren. Sie verabreichten dem Patienten Immunglobuline (400 mg/kgKG täglich, intravenös) und Dexamethason (10 mg täglich). Drei Tage später (Tag 33) war die Thrombozytenzahl des Mannes auf 60.000/µl gestiegen. Dexamethason wurde abgesetzt, um eine Reaktivierung der Virusreplikation zu vermeiden. Am Tag 37 wies der Patient eine normale Thrombozytenzahl auf, sodass die Immunglobuline abgesetzt wurden.
Am 46. Tag konnte der Patient schließlich nach Hause entlassen werden.
Nach Angaben der Ärzte lassen die Wirksamkeit der immunregulatorischen Behandlung, die wechselnden Konzentrationen der B-Lymphozyten und die Ergebnisse der Knochenmarkuntersuchung auf eine immunvermittelte Thrombozytopenie schließen. Die normale Prothrombinzeit und aktivierte partielle Thromboplastinzeit lassen eine andere Gerinnungsstörung unwahrscheinlich erscheinen.
Bereits Mitte April wurde ein Fallbericht veröffentlicht, in dem eine Patientin in Folge einer COVID-19-Erkrankung eine Thrombozytopenie entwickelte (DocCheck berichtete).
Im aktuellen Case Report merken die Wissenschaftler allerdings an, dass die beschriebenen Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden sollten. Beispielsweise konnten sie die Möglichkeit einer medikamentös-induzierten Thrombozytopenie oder einer erhöhten Plättchenzerstörung im geschädigten Lungengewebe bei gegebenenfalls veminderter Thrombozytopoese nicht ausschließen, da die Lunge auch zu letzterer beiträgt.
Textquelle: Chen W et al. / The Lancet
Bildquelle: Marcus Löfvenberg, unsplash