Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), warnt vor einer übereilten Zulassung des Virostatikums Remdesivir. Der Grund: Man wisse noch zu wenig über das Arzneimittel. „Das einzige, was Remdesivir bisher gezeigt hat, ist, dass es die Krankheitsdauer um vier Tage verkürzt. Aber das Mindeste müsste doch sein, dass die Patienten, die es rechtzeitig bekommen, weniger schwer krank werden“, so Ludwig gegenüber dem NDR.
Er kritisiert, dass wichtige Standards für Studien und Forschung derzeit nicht eingehalten werden. Studienergebnisse würden zum Beispiel zu schnell und ohne Begutachtung durch andere Mediziner veröffentlicht. „Das ist aus meinem Blickwinkel eine absolute Fehlentwicklung und wird nicht dazu führen, dass wir gut geprüfte, wirksame und sichere Arzneimittel gegen Covid-19 bekommen“, meint Ludwig.
Dagegen sieht Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln, einer schnellen Zulassung von Remdesivir laut Tagesschau positiv entgegen. Er war an einer Studie beteiligt, in der mehr als 1.000 COVID-19-Patienten untersucht wurden und bei der insgesamt etwas weniger Patienten unter Remdesivir starben. Allerdings sei diese Zahl zu klein, um aussagekräftig zu sein – und der genaue Zeitpunkt, an dem man das Medikament am besten gibt, sei auch noch unklar, sagt Fätkenheuer.
Die Diskussion um Remdesivir war vergangene Woche von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) angestoßen worden. EMA-Chef Guido Rasi hatte bei einer Anhörung im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit des Europäischen Parlamentes von einer bedingten Marktzulassung für Remdesivir in Europa gesprochen. Allerdings räumte die EMA inzwischen auf Anfrage des NDR ein, dass Gilead, der Hersteller des Virostatikums, noch gar keinen Antrag auf Zulassung eingereicht habe.
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