Es vergeht wohl keine Woche, ohne dass mir eine volle Windel unter die Nase gehalten wird. Und dann folgt die Frage: „Herr Doktor, wann isses denn nu Durchfall?“
Wessen Säugling mit Muttermilch großgezogen wurde, weiß, was ein Kleckerstuhlgang ist: Für gewöhnlich gelb-körnig, die Lehrbücher nennens immer senfig und normal riechend, wörtlich „aromatisch“. Die mit der Flasche gezogen haben, kennen schon eher die festere Variante, vielleicht auch die grün-labbrig-stinkige (bei „HA“-Milchen). Naja. Gehen wir nicht zu sehr in die Tiefen der Stuhlvisite. Aber es möge illustrieren, wie schwer es Eltern fällt, einen normalen Säuglings-Kack von einem pathologischen zu unterscheiden. Wen wunderts also, dass sich Mütter mit Vorlieben über die Ausscheidungen ihrer Kiddies austauschen. Bei so schönen Farbpaletten.
„Aber wann isses denn nu Durchfall, Herr Dokter?“ Es vergeht vermutlich keine Woche, in der mir nicht eine Windel unter die Nase gehalten wird, um diese Frage ultimativ zu beantworten. Die Altvorderen haben darin eine Lebenserfüllung gesehen: Die Stuhlvisite.
Ältere Kinderkrankenschwestern erinnern noch gerne an die Visiten auf Station, bei denen der Chefarzt erstmal eine Quasiprise Stuhlgang inhalierte, bevor er ins Zimmer zum Patienten ging. Zu meiner Zeit war es nur noch die visuelle Phantasie, die er aufbringen musste, wenn Klein-Kinderdok als Stationsarzt den morgendlichen Stuhlgang des kleinen Patienten beschrieb. „Das ist Rota“, sagte er dann immer. Immer.
Säuglinge haben nun mal Kleckerstuhl. Oft. Durchfall wird’s immer dann, wenn es das normale Maß überschreitet. Wenn aus einmal täglich fünfmal wird, oder aus sechsmal täglich zehn. Durchfall ist’s, wenn die Konsistenz sich weiter verflüssigt, wenn aus dem Senf Wasser wird oder aus der Form plötzlich Gelöstes.
Und der Duft. Wenn’s stinkt, dann ist es krank. Der wichtigste Sinn in der Stuhldiagnostik ist der Geruch. Also, liebe Mütter, ich verspreche: Wenn Dein Baby Durchfall hat, dann wirst du es zuerst mal hören, dann riechen, dann sehen.
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