Patienten, die entweder mit SARS-CoV oder mit SARS-CoV-2 infiziert sind, produzieren Antikörper, die jeweils an das andere Coronavirus binden können. Forscher aus Hongkong untersuchten nun, ob diese Antikörper auch kreuzprotektiv wirken.
Die Coronaviren SARS-CoV und SARS-CoV-2 teilen sich etwa 80 Prozent ihrer genomischen Nukleotidsequenzen. Beide Viren dringen in gleicher Weise in ihre Wirtszellen ein und infizieren diese. Während des Prozesses bindet die Rezeptor-Bindungsdomäne (RBD) des Spike(S)-Proteins auf der Virusoberfläche an den ACE2-Rezeptor der Wirtszellen. So wird die virale Fusion mit der Zelle ausgelöst.
Während frühere Studien gezeigt haben, dass protektive Antiköper gegen SARS-CoV an die RBD binden, ist über die Immunantwort bei SARS-CoV-2 bisher relativ wenig bekannt. Ob eine Infektion mit SARS-CoV die Antikörperantwort gegen SARS-CoV-2 beeinflusst und umgekehrt, ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt. Dieser Frage widmeten sich nun Forscher aus Hongkong. Die Idee hinter den Analysen ist die Entwicklung eines Impfstoffs, der zeitgleich vor verschiedenen Coronaviren schützt. Die Forscher gehen davon aus, dass Ausbrüche von Coronaviren auch in Zukunft ein weltweites Gesundheitsrisiko darstellen werden.
Die Wissenschaftler untersuchten Blutproben von 15 Patienten, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren und verglichen die Ergebnisse mit Proben von gesunden Kontrollpersonen. Es zeigte sich, dass die infizierten Personen Antikörper im Blut aufwiesen, die nicht nur an die RBD sowie an andere Teile des S-Proteins von SARS-CoV-2, sondern auch an SARS-CoV binden konnten.
Anschließend analysierten die Forscher Blutproben von sieben Patienten, die drei bis sechs Monate nach einer Infektion mit SARS-CoV entnommen wurden. Auch diese Proben wiesen Antikörper auf, die an die RBD und an andere Teile des S-Proteins auf SARS-CoV-2 binden konnten.
Nun wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob eine Infektion mit SARS-CoV-2 die Bildung von spezifischen neutralisierenden Antikörpern induziert, die die Wirtszellen schützen, indem sie die Interaktion mit dem Virus verhindern. Alle elf Proben, die zwölf Tage oder später nach Einsetzen der Symptome entnommen wurden, wiesen solche Antikörper gegen SARS-CoV-2 auf. Aber nur in einer Blutprobe fanden sich kreuzneutralisierende Antikörper, die auch gegen SARS-CoV wirksam waren. Zudem war die Reaktion dieser Antikörper in Bezug auf SARS-CoV nur sehr schwach ausgeprägt.
Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch bei den Blutproben von Patienten, die von SARS-CoV infizierten Patienten entnommen wurden. Hier konnte in keiner der fünf untersuchten Proben kreuzneutralisierende Antikörper gefunden werden, die auch eine Reaktion gegenüber SARS-CoV-2 aufwiesen.
Zusätzliche Versuche an Mäusen untermauerten die Ergebnisse. Deshalb gehen die Forscher davon aus, dass Patienten, die mit Coronaviren infiziert sind, zwar in Einzelfällen kreuzneutralisierende Antikörper produzieren, dass diese sich jedoch in Zellkulturexperimenten nicht zwingend als kreuzprotektiv erweisen. Die klinischen Implikationen bleiben jedoch vorerst unklar.
Den Wissenschaftlern zufolge besteht die Möglichkeit, dass die kreuzreaktiven, nicht neutralisierenden Antiköper einen Kreuzschutz für Patienten bieten, auch wenn sie kultivierte Zellen nicht schützen. Dieses Phänomen wurde bereits bei anderen Virustypen beobachtet. Andererseits sei aber auch denkbar, dass die nicht neutralisierenden Antikörper gegen SARS-CoV-2 den Eintritt des Virus in die Zellen und die virale Replikation durch einen Prozess verbessern, der als antikörperabhängige Verstärkung der Infektion bezeichnet wird und über den bereits früher für SARS-CoV berichtet wurde.
So erläutert Ian Wilson, ein Senior-Autor der Studie, dass in Zukunft sorgfältig untersucht werden müsse, ob die antikörperabhängige Verstärkung bei Infektionen mit SARS-CoV-2 eine Rolle spiele. Die Behandlung dieser Frage sei für die Entwicklung eines sicheren und wirksamen universellen Coronavirus-Impfstoffs von entscheidender Bedeutung.
Allerdings stehe kurzfristig zunächst die Entwicklung eines monoklonalen Antikörpers gegen SARS-CoV-2 im Fokus, bevor es langfristig um die Entwicklung eines kreuzprotektiven Coronavirus-Impfstoff gehe.
Quelle: Huibin Lv et al. / Cell reports // Medical Xpress
Bild: Bryan Colosky, unsplash