Die Erscheinungsbilder einer Lyme-Borreliose sind manchmal sehr außergewöhnlich, wie drei Fallberichte zeigen.
Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Vektoren übertragene Erkrankung weltweit. Sie wird durch das Bakterium Borrelia burgdorferi oder verwandte Arten aus der Gruppe der Spirochäten hervorgerufen. Übertragen wird die Lyme-Borreliose durch Zeckenarten des Ixodes-ricinus-Komplex. Eine Infektion kann unterschiedlichste, teils sehr seltene, Erscheinungsbilder hervorrufen. Erkrankungen treten gehäuft zwischen Juli und August auf, wenn die Menschen bei wärmerem Wetter mehr Zeit im Freien verbringen. Zudem breiten sich die Risikogebiete immer weiter aus. Daher sollten sich sowohl Ärzte als auch die breite Öffentlichkeit der unterschiedlichen Erscheinungsformen bewusst sein.
Diese Relevanz unterstreichen drei Case-Reports aus dem Canadian Medical Association Journal: Ein 37-jähriger Mann stellt sich mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Halsschmerzen, Nasenverstopfung und wandernden Gelenkschmerzen beim Hausarzt vor. Da sich der Patient nicht an einen Zeckenstich erinnern kann, vermutet der Arzt einen viralen Infekt. Die Symptome des Patienten verschwinden nach sieben Tagen. Doch Wochen später entwickelt er Herzklopfen, Kurzatmigkeit und Brustbeschwerden, weshalb er eine Notaufnahme aufsucht. Ein dort angefertigtes EKG zeigt einen AV-Block. Während der kontinuierlichen Überwachung zeigt sich ein Sinusrhythmus im Wechsel mit einem AV-Block ersten Grades und einem 2:1-AV-Block zweiten Grades. Schnell vermuten die Ärzte eine Lyme-Karditis als Folge einer Borreliose, welche später serologisch nachgewiesen wird.
Etwa 12 Stunden nach der Aufnahme wir der Patient plötzlich diaphoretisch und hypotensiv. Sein Zustand verschlechtert sich, sodass eine kardiopulmonale Wiederbelebung und Defibrillation erforderlich wird. Doch ein Spontankreislauf kann nicht erreicht werden. Der Patient wird intubiert und eine extrakorporale Membranoxygenierung eingeleitet. Die Bildgebung ergibt Hinweise auf eine schwere anoxische Hirnverletzung. Daher werden in Absprache mit der Familie die invasiven unterstützenden Maßnahmen eingestellt. Der Patient stirbt etwa 48 Stunden nach der Aufnahme.
Eine Lyme-Karditis tritt bei 4 %–10 % der mit Borrelia burgdorferi infizierten Erwachsenen auf und stellt sich in 90 % der Fälle als hochgradiger AV-Block dar. Der plötzliche Herztod infolge einer solchen Infektion ist aber eher selten. Dennoch sollte bei Verdacht auf eine Lyme-Karditis umgehend ein EKG durchgeführt werden und im Zweifelsfall eine Antibiose auch ohne serologische Bestätigung des Erregers begonnen werden.
Ein weiterer Fallbericht beschreibt die Infektion einer 56-jährigen Frau, die sich mit einem erythematösen Fleck auf der rechten Schlüsselbeinregion, Myalgie und Schüttelfrost in der Notaufnahme vorstellt. Sie bekommt ein Antibiotikum verschrieben und wird entlassen. 15 Tage später kehrt sie jedoch mit Herzklopfen und Benommenheit zurück. Da sie sich an einen Zeckenstich erinnern kann, fertigen die Ärzte umgehend ein EKG an. Dieses zeigt einen AV-Block ersten Grades. Sofort wird sie antibiotisch behandelt. Trotz einer zwischenzeitlichen Verschlechterung zum AV-Block zweiten Grades ist die Patientin 6 Wochen später wieder symptomfrei.
Der dritte Case-Report beschreibt den Fall eines 4-jährigen Jungen. Er kommt mit Fieber, Erbrechen, Unwohlsein, Ataxie und Aphasie ins Krankenhaus. Aufgrund eines auffälligen Blutbildes beginnen die Ärzte eine Antibiose in Hinblick auf eine mögliche Enzephalitis. Doch kurze Zeit später verschlechtert sich der Zustand des jungen Patienten: Er entwickelt einen Nystagmus, Tremor, Hyperreflexie mit Knöchelklonus, einen positiven rechtsseitigen Babinski-Reflex und Harninkontinenz. Es wurden anfallsartige Bewegungen festgestellt, er erhält daher Lorazepam. Ein MRT des Kopfes zeigt eine Meningoenzephalitis. Auf Nachfrage geben die Eltern an, der Junge habe vor etwa 4 Monaten einen Hautausschlag gehabt. Anhand dieser Informationen diagnostizieren die Ärzte eine Neuroborreliose. Unter einer angepassten antibiotischen Therapie ist der Patient am siebten Tag wieder symptomfrei.
Diese drei Fälle zeigen nur einige der selteneren Manifestationen, die in Folge einer unerkannten Lyme-Borrelliose auftraten. Daher sollte bei entsprechender Symptomatik – auch wenn sich Patienten nicht an eine Exposition erinnern können – stets eine Infektion mit Borrelien in Erwägung gezogen werden.
Textquellen: Semproni et al. / CMAJ / docc.hk/npuyuy | Franca-Avecilla et al. / CMAJ / docc.hk/96x7wb | Myette et al. / CMAJ / docc.hk/6s66r4Bildquelle: Pixabay / docc.hk/599pf7