Die visuelle Darstellung der Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn – auch Konnektomik genannt – erfordert bis dato einen immensen Zeitaufwand. Ein neues Verfahren kann nun die Analyse von Konnektomen um mehr als das Zehnfache beschleunigen.
Die Konnektomik ist ein relativ neues Forschungsgebiet, in dem Forscher die neuronalen Verbindungen in Teilen des Gehirns möglichst komplett rekonstruieren wollen. Das beinhaltet nicht nur die Rekonstruktion der anatomischen Struktur der Nervenzellen, sondern auch der Verbindungen zwischen den Synapsen. Da ein einzelnes Neuron mit bis zu tausenden anderen Neuronen kommuniziert, und die Nervenzellen extrem dicht gepackt sind, ist dies ein schwieriges und extrem zeitaufwändiges Unterfangen. Im Vergleich zu den elektronenmikroskopischen Messungen, die bereits tausende Stunden beanspruchen, braucht die Analyse- und Rekonstruktionsphase über drei Größenordnungen länger. Um diese Phase überhaupt in absehbarer Zeit zu ermöglichen, werden zwei Analysestrategien gleichzeitig verfolgt. Die erste Strategie ist es, die eingesetzte Analyseleistung zu erhöhen. Die zweite ist die Entwicklung neuer Algorithmen, die Gehirngewebsdaten effizienter analysieren können.
Forscher der Abteilung Connectomics am Frankfurter Max-Planck-Institut arbeiten daran, die Anzahl der Menschen zu erhöhen, die an der Datenanalyse mitarbeiten. Hierzu entwickeln sie Online-Plattformen, auf denen auch nichtwissenschaftliches Personal bei der Analyse der Verbindungen zwischen den Neuronen mithelfen kann. Zudem entwickelten die Forscher das Spiel „Brainflight“, um beliebig vielen Menschen zu ermöglichen, an der Datenanalyse fürs Konnektom der Großhirnrinde teilzunehmen. Nun haben sie sich mit der zweiten Strategie befasst und versucht, den Beitrag der Computeranalyse effizienter zu machen. Manuel Bering und seine Kollegen haben einen Weg gefunden, um den Schritt zur Klassifizierung der elektronenmikroskopischen Bilder automatisch zu beschleunigen. „Durch die Verwendung von Maschinen-Lern-Algorithmen für unsere SegEM-Methode sind wir in der Lage, das Gehirngewebe, in dem alle Synapsen angefärbt sind, automatisch dreidimensional zu analysieren“, erklärt Berning. Mithilfe der Software SegEM aus Elektronenmikroskopie-Bildern (grau) rekonstruierte Nervenzellen aus der Großhirnrinde einer Maus. © MPI f. Hirnforschung
Die SegEM-Methode verringert den benötigten Arbeitseinsatz um mehr als das Zehnfache im Vergleich zu den vorhandenen Analysemethoden. Die Forscher haben ihre Methoden an Daten der Netzhaut und der Großhirnrinde der Maus getestet. „Wir waren erstaunt, dass der neue Algorithmus so gut für verschiedene Typen von Nervenzellgewebe funktioniert. Diese Analysebeschleunigung ist ein echter Durchbruch, so können jetzt in vielen neurowissenschaftlichen Laboren weltweit Konnektomanalysen zu einer Standard-Technik werden“, so Helmstaedter. Originalpublikation: SegEM: Efficient Image Analysis for High-Resolution Connectomics. Manuel Berning et al.; Neuron, doi: 10.1016/j.neuron.2015.09.003; 2015