Das Gehirn gewöhnt sich mit der Zeit an den Anblick von Schmerz: Die neuronale Reaktion nimmt ab, Hirnareale habituieren. Dennoch bleibt die Schmerzeinschätzung gleich. Für Berufsgruppen, die häufig Schwerkranke behandeln, durchaus eine sinnvolle Reaktion.
Empathie ist ein Thema, das zunehmend auch aus neurowissenschaftlicher Perspektive untersucht wird. Frühere Studien haben gezeigt, dass beim Beobachten von Schmerz teilweise ähnliche Hirnstrukturen aktiviert werden wie bei eigenen Schmerzerfahrungen. Wissenschaftler interpretieren diese Aktivierungen als mögliche neuronale Entsprechungen von Empathie.
Diese Entsprechung konnten auch Göttinger Forscher in ihrer Studie beobachten. Darüber hinaus untersuchten sie auch den zeitlichen Verlauf der neuronalen Reaktionen und überprüften, ob diese sich beim wiederholten Betrachten der Fotos verändern. „Wir haben herausgefunden, dass die neuronale Reaktion beim wiederholten Betrachten der Fotos abnimmt, bestimmte Hirnareale also habituieren“, erläutert Dr. Mira Preis, Erstautorin der Studie. „Dies ist umso erstaunlicher, weil die Probanden den Schmerz der beobachteten Personen im Verlauf der Untersuchung gleich einschätzten.“ Das Hauptergebnis der Studie im Horizontalschnitt (von oben nach unten): Blau eingefärbte Bereiche zeigen die Areale an, in denen die neuronale Reaktion über den Verlauf des Experimentes abnimmt. © Universität Göttingen Für Menschen, die regelmäßig mit dem Schmerz anderer Menschen konfrontiert sind, wie beispielsweise Ärzte, Pflegepersonal oder Angehörige von schwerkranken Patienten, könnte diese Gewöhnung eine sinnvolle Reaktion darstellen. „Diese Menschen können sich dann darauf konzentrieren, anderen Menschen zu helfen, ohne durch zu starke Emotionen gelähmt zu sein“, so Preis. Originalpublikation: Neural Correlates of Empathy with Pain Show Habituation Effects – An fMRI Study Mira Preis et al.; PLoS One, doi: 10.1371/journal.pone.0137056; 2015