Bindegewebszellen der Maus konnten erstmals in Stammzellen der Plazenta umgewandelt werden. Mit der Methode hofft man nun, auch menschliche Plazentazellen züchten zu können. Störungen der Plazenta-Bildung, die zu Unfruchtbarkeit führen, sollen so besser erforschbar werden.
Nach der Befruchtung der Eizelle bilden sich nach wenigen Tagen zwei unterschiedliche Gewebetypen: der Trophoblast, aus dem später die Plazenta hervorgeht, und der Embryoblast, das werdende Kind. Strenge Kontrollmechanismen verhindern, dass sich Trophoblasten-Zellen in Embryonal-Zellen verwandeln – und umgekehrt. Diese strikte Trennung zu überwinden, gilt Stammzellforschern als harte Nuss. Forscher aus Bonn, Cambridge und San Sebastian haben sie nun geknackt: Sie gaben zu Bindegewebszellen aus Mäusen einen Cocktail von vier verschiedenen Transkriptionsfaktoren. Als Reaktion verwandelten sich die Bindegewebszellen innerhalb weniger Tage in plazentale Stammzellen. Dadurch konnten die Forscher Plazenta-Gewebe im Labor züchten.
Professor Dr. Hubert Schorle vom Institut für Pathologie der Universität Bonn hofft nun, diese Ergebnisse auch auf menschliche Zellen übertragen zu können. „Bislang ist es nicht möglich, humane Plazenta-Stammzellen in Kultur zu nehmen“, sagt er. „Das ist aber die Voraussetzung dafür, Entwicklungsstörungen der Plazenta besser zu erforschen“, ergänzt Caroline Kubaczka, die Erstautorin der Arbeit. Mit der an der Maus getesteten Methode sollte es im Prinzip möglich sein, Hautzellen des Menschen in teilungsfähige Plazenta-Stammzellen umzuwandeln. Langfristig könnte man so Ursachen für genetisch bedingte Komplikationen während der Schwangerschaft untersuchen. Das würde den Weg ebnen, um etwa neue Therapien gegen Störungen der Plazenta zu entwickeln. Den Forschern von der Universität Bonn ist es gelungen, Bindegewebszellen in Stammzellen der Plazenta umzuwandeln. Auf diesem Foto einer Maus-Plazenta sind die umgewandelten Zellen grün angefärbt. © Kubaczka et al, Cell Stem Cell Die Ergebnisse dieser Studie fließen in eine Stammzell-Datenbank am Harvard Stem Cell Institute ein. Dort werden systematisch Experimente erfasst, in denen es um die Reprogrammierung von Zellen geht. Die Datenbank bildet somit die Grundlage eines „biologischen Navigationssystems“: Mithilfe der dort gesammelten Erkenntnisse werde man in Zukunft in der Lage sein, alle Zelltypen im Organismus gezielt in einen beliebigen anderen Zelltypus umwandeln zu können, hofft Schorle. „Mit Arbeiten wie unserer werden somit die Grundlagen für Therapien der regenerativen Medizin von morgen gelegt.“ Originalpublikation: Direct induction of trophoblast stem cells from murine fibroblasts Caroline Kubaczka et al.; Cell Stem Cell, doi: 10.1016/j.stem.2015.08.005; 2015