Viele Kunden nehmen öffentliche Apotheken aufgrund ihres Sortiments wie einen Supermarkt wahr. Das zeigt eine aktuelle Befragung. Gute Noten gab es für die Beratungsqualität. Hier sollten Kollegen nachlegen – und Leistungen offensiver anbieten.
Zahlen über Zahlen: Im letzten Jahr hatten alle öffentlichen Apotheken zusammen rund eine Milliarde Patientenkontakte. Zum Gesamtumsatz von 45,8 Milliarden Euro trugen vor allem Rx-Präparate bei (83 Prozent), gefolgt von OTCs (9,6 Prozent), Artikeln des apothekenüblichen Ergänzungssortiments (6,8 Prozent) und freiverkäuflichen Arzneimitteln (0,6 Prozent). Ganz klar, verschreibungspflichtige Präparate bleiben die tragende Säule schlechthin – für Health Professionals. Wie Kunden entsprechende Angebote wahrnehmen, konnten Marktforscher jetzt im Rahmen einer Studie analysieren.
Beim Gesundheitsmonitor haben Gerd Glaeske, Stanislava Dicheva und Kristin Sauer, Bremen, 1.728 Konsumenten repräsentativ befragt. Etwa 15 Prozent benötigten einmal pro Monat oder häufiger Produkte aus ihrer Apotheke, weitere 37 Prozent mindestens einmal pro Quartal, und 12 Prozent seltener als einmal pro Jahr. Deutlich häufiger waren – Überraschung – ältere Menschen unter den Kunden. Aber auch Frauen gehören eher als Männer zur vorrangigen Zielgruppe. Von allen Studienteilnehmern gaben 60 Prozent maximal 49 Euro im Monat in ihrer Apotheke aus, weitere 17 Prozent 50 bis 199 Euro, und 5 Prozent sogar 200 bis 999 Euro. Entsprechende Summen kamen durch Medikamente, Zuzahlungen, Kosmetika, Pflege- und Hygieneartikel, Vitaminpräparate, Nahrungsergänzungsmittel und Babybedarf zu Stande.
Um ihren Bedarf zu decken, gingen zwei Drittel zumindest gelegentlich oder auch öfter in Präsenzapotheken – Online-Apotheken spielten eine eher untergeordnete Rolle. Vor Ort gab es dennoch Schwachpunkte. Lediglich zwölf Prozent gaben an, ihre Apotheke habe eine Beratungsecke für vertrauliche Gespräche. Mehr als 65 Prozent wissen nicht, ob es gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeiten überhaupt gibt, und über 80 Prozent wurden noch nie auf diese Option hingewiesen. „Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass eine solche Möglichkeit in den Apotheken nicht proaktiv angeboten wird, obwohl es ohne Zweifel viele Beratungsaspekte gibt, die nicht vor anderen Kunden ausgebreitet werden sollten“, schreiben die Autoren. Hinweise, vor dem HV-Tisch Abstand zu halten, seien kein Ersatz für diskrete Gespräche.
Zu den Inhalten selbst: 93 Prozent aller Kunden fühlen sich im HV wohl, und 86 Prozent loben die „ausführliche, kompetente Beratung“. Rund 78 Prozent stimmen der Aussage zu, Apotheken sollten als Gesundheits- und Beratungszentren fungieren – und nicht als reine Verkaufsstellen für Arzneimittel oder ähnliche Produkte. So berichteten 72 Prozent, immer beraten worden zu sein. Nur 19 Prozent kreuzten an, Apotheker oder PTA hätten schon mal von Medikamenten abgeraten. Insbesondere ältere Menschen, die an chronischen Erkrankungen leiden, erwerben häufig Abführmittel, OTC-Analgentika, Vitamine oder Mineralstoffe. „Viele dieser Mittel sind gänzlich nutzlos und bestenfalls nur teuer, schlimmstenfalls aber auch noch gefährlich“, heißt es im Bericht. Manche Bedürfnisse werden gezielt geweckt. 46 Prozent gaben zu Protokoll, Werbung nähme im HV und in den Schaufenstern überhand, während 46 Prozent nicht dieser Meinung waren. Dem Statement, Apotheken sähen häufig wie ein Supermarkt oder wie eine Drogerie aus, stimmten immerhin 62 Prozent zu. Und 51 Prozent zogen hinsichtlich des schnellen Umsatzes Parallelen zwischen Apotheken oder sonstigen Geschäften des Einzelhandels.
Kein Wunder: Grundlegende Prinzipien des Marketings gelten eben für alle Branchen. Dazu gehört auch die Kundenbindung. Rund 71 Prozent aller Befragten sagten von sich, sie hätten eine Stammapotheke. Dabei handelte es sich bei 61 Prozent um eine Präsenzapotheke vor Ort. Als Gründe wurden primär Freundlichkeit, Beratung und Service genannt. Apotheker haben aber noch längst nicht alle Trümpfe ausgespielt, um ihre Zielgruppe längerfristig zu binden. Während immerhin 90 Prozent der Kunden regelmäßig Einnahmetipps erhielten, waren es bei Hinweisen auf Wechselwirkungen nur noch 35 Prozent. Und lediglich 19 Prozent aller Apothekenkunden gaben an, Health Professionals hätten Wechselwirkungschecks aktiv angeboten – selbst bei der Einnahme vieler Arzneimittel.
„Apotheker können mit ihrer Kompetenz und ihrer Beratungsverpflichtung in solchen Fällen dazu beitragen, problematische Auswirkungen von zu vielen Arzneimitteln nebeneinander zu verringern oder zu verhindern“, heißt es in der Studie. „Eine engere Kooperation mit den verordnenden Ärzten wäre in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wichtige Strategie.“ Auf Fragen zur Honorierung gehen Marktforscher jedoch nicht ein. Ohne Freiwahl und Sichtwahl wird sich kaum eine Apotheke betriebswirtschaftlich effizient führen lassen. Eine Gratwanderung. Genau deshalb raten Glaeske und Kollegen, Empfehlungen zur Selbstmedikation dürften „nicht der oft übertriebenen Werbung der pharmazeutischen Hersteller folgen“, sondern evidenzbasierten Kriterien genügen. Als Supermärkte haben Apotheken keine Zukunft. Gefragt sind Gesundheitszentren mit kompetenter Arzneimittelberatung.