Eine 27-jährige Frau leidet unter starker Schwangerschaftsübelkeit mit Erbrechen. Plötzlich zeigt sie neurologische Auffälligkeiten und wird intubationspflichtig. Was ist passiert?
Eine 27-jährige Schwangere wird in der 16. Schwangerschaftswoche bewusstlos in die Klinik eingeliefert. Seit fünf Tagen klagt sie bereits über Harninkontinenz und ein verändertes Empfindungsvermögen. Zudem leidet sie seit dem ersten Monat ihrer Schwangerschaft an übermäßigem Erbrechen – auch Hyperemesis gravidarum genannt. Dadurch ist die junge Frau bereits kachektisch. Zum Zeitpunkt der Einlieferung ist sie hämodynamisch stabil.
In der klinischen Untersuchung führt das Bestreichen der Fußsohle bilateral zu einer Dorsalextension, die Extremitäten sind hypoton und der Nacken der Patientin versteift. Woher kommen diese Symptome? Um dieser Frage nachzugehen, führen die Ärzte verschiedene Tests durch. Doch sämtliche Blut- und Urinuntersuchungen sind unauffällig. Ein Ultraschall des Abdomens zeigt einen lebenden intrauterinen Fötus.
Aufgrund des insgesamt schlechten Zustandes der Patientin sind die Ärzte bei der Aufnahme gezwungen, zu intubieren. Zu allem Überfluss beschert dies der jungen Frau eine beatmungsassoziierte Pneumonie, die mit Antibiotika behandelt werden muss. Doch für die initiale Symptomatik gibt es nach wie vor keine plausible Erklärung: Auch eine Liquordiagnostik ist unauffällig.
Ein MRT des Kopfes bringt dann endlich Licht ins Dunkel. Dort zeigen sich in der FLAIR-Sequenz beidseits Hyperintensitäten im Bereich der Thalami, des Mittelhirns und der Medulla, was eine Wernicke-Enzephalopathie vermuten lässt.
Diese ist die Folge einer Vitamin-B1-Hypovitaminose, weshalb der Patientin von nun an zunächst intravenös und später oral Thiamin verabreicht wird. Daraufhin bessert sich der Zustand der Patientin zwar zunehmend, doch sie kann erst nach 32 Tagen vom Beatmungsgerät genommen und nach insgesamt 68 Tagen entlassen werden. Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen?
In der Regel ist die Wernicke-Enzephalopathie durch chronischen Alkoholabusus bedingt. Doch in diesem Fall ist die massive Schwangerschaftsübelkeit Schuld: Durch das häufige Erbrechen konnte es zur Unterernährung und einem daraus resultierenden Vitamin-B1-Mangel kommen. Die gute Nachricht: Trotz allem bringt die 27-Jährige nach 36 Schwangerschaftswochen einen gesunden Jungen per Kaiserschnitt zur Welt.
Textquelle: Jaiswal et al. / JCR / docc.hk/53hj5h
Bildquelle: freestocks, unsplash