Liebe Koll.,
Im Rahmen der Diskussion um Lockerungen vermisse ich die kritische Beschäftigung mit den Grundlagen der Entscheidung zum Lockdown.
Wir erinnern uns: Der Lockdown beruht auf folgenden Annahmen:
1. Die Infektion führt zu Lungenentzündungen
2. Diese Entzündungen müssen ab einem kritischen O2 Wert zwingend mit künstlicher Beatmung behandelt werden
3. Dazu müssen wir Intensivbetten vorhalten
4. Deshalb muss die Infektionskurve niedrig gehalten werden, um die Kapazitäten nicht zu überfordern
5. Deshalb Eingriff in die Grudrechte.
Punkt 1 ist unstrittig und hat sich im Laufe der Entwicklung bewahrheitet.
Punkt 2 ist eine Annahme, die aufgrund vorangegangener Erkrankungen mit ähnlichen Viren getroffen wurde.
Was m.E. fehlt und auch von uns eingefordert werden sollte, ist die wissenschaftliche Überprüfung dieser These.
Inzwischen werden immer mehr Stimmen von Krankenhausärzten laut, die Covid-19 Patienten auch ohne künstliche Beatmung geheilt entlassen haben, trotz zwischenzeitlich abgesunkener Sauerstoffsättigung im Blut, die nach den Leitlinien die invasive Beatmung erfordert hätte. Vor ein paar Tagen hat das ZDF darüber berichtet. https://www.ardmediathek.de/daserste/player/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLWFjZDAyNjRhLWUxZjgtNDQ0Mi04YTIzLTRiMjUxZmVlNTcyMg/monitor-vom-30-04-2020
Würde sich in einer entsprechenden Studie herausstellen, dass auch alternative Verfahren geeignet sind, Covid-19 Patienten, auch mit schwerem Verlauf zu behandeln, bzw. die Todesrate der alternativen Verfahren, die der künstlichen Beatmung nicht übersteigt, dann wäre die obige Argumentationskette obsolet und es müsste eine sofortige Beendigung der jetzigen Beschränkungen erfolgen.
Mein Kritikpunkt ist, warum eine solche Studie zurzeit von niemand gefordert wird, obwohl alle Daten dazu verfügbar sind und nur gesammelt und ausgewertet werden müssen.
Jeder Covid-19 Patient, der stationär aufgenommen wurde, ist den zuständigen Gesundheitsämtern bekannt. Es wäre ein leichtes in den Kliniken einige wenige Daten, die alle dort vorliegen zu erfragen und vom RKI oder einer anderen Einrichtung auswerten zu lassen.
Zu erfragen wäre m.E. lediglich ob und wann der kritische Sauerstoffwert gemessen wurde, welche Behandlung eingeleitet wurde, also invasive Beatmung oder Alternativen und wie der Zustand bei Entlassung war, also Tod, Heilung oder Heilung mit Defekt.
Mit etwas guten Willen wüssten wir innerhalb von 2 Wochen, ob die wichtigste Grundannahme, die zum Lockdown geführt hat, überhaupt berechtigt war. Stellt sich die Grundannahme als Irrtum heraus, kann man ihn, ohne Gesichtsverlust sofort korrigieren. Sollte aber die künstliche Beatmung aufgrund der realen Daten tatsächlich die ultima ratio sein, dann kann man die derzeitigen Beschränkungen auch kritischen Mitbürgern besser vermitteln als bisher.
Hinrich Hörnlein-Rummel Nervenarzt-Psychotherapie