Neuronen im Gehirn verbinden sich während der vorgeburtlichen Entwicklung sowie im Kindesalter zu neuronalen Netzwerken. Beim Studieren des Prozesses unter Laborbedingungen zeigt sich: Die Aktivität der Nervennetze kann reguliert werden, indem man sie „entmantelt“.
Auf die richtigen Verbindungen kommt es an – auch im Gehirn. Nur Nervenzellen, die miteinander verbunden sind, können Informationen kodieren. „Neuronen wollen ihre Partner finden und sich über Netzwerke miteinander verbinden. Die Herausforderung für uns Wissenschaftler besteht darin, die einzelnen Verbindungen im Modell sichtbar und nachvollziehbar zu machen“, so Arthur Bikbaev vom Leibniz-Institut für Neurobiologie. Gemeinsam mit zwei Kollegen haben sie für ihre Experimente Nervenzellen aus Rattengehirnen isoliert und auf Chips – den Multielektrodenarrays – wachsen lassen. Mithilfe der Elektroden auf dem Chip können sie einerseits die elektrische Aktivität der Neuronen messen und sehen, welche Nervenzellen aktiv sind und miteinander in Kontakt stehen. Andererseits ermöglicht der Chip, die Nervenzellen mit elektrischen Reizen auch gezielt zu beeinflussen. Bikbaev erklärt: „Nervenzellen kann man im Gehirn nie isoliert von anderen Einflüssen betrachten. In unserem Modell tun wir das jedoch. Diese Vereinfachung ist dabei für uns vorteilhaft, weil wir alle Einflussfaktoren kennen und berücksichtigen können.“
Verbindungen von Nervenzellen sind nicht statisch, sondern aktivitätsabhängig ständigen Änderungen unterworfen. Die extrazelluläre Matrix ist eine Substanz, die die Nervenzellen „mantelartig“ umgibt und die Stabilisierung von Netzwerken ermöglicht. In der Studie gelang es dem Magdeburger Team, die Verbindungen von Neuronen zurückzusetzen und neue Verknüpfungen zu erschaffen: Die Forscher bauten dafür die vorhandene extrazelluläre Matrix um die Nervenzellen herum mit einem Enzym ab und konnten dann das erneute Reifen der neuronalen Netzwerke beobachten. Die „entmantelten“ Neuronennetze werden aktiver, sind aber auch weniger anfällig für Übererregungen, wie sie beispielsweise bei epileptischen Anfällen auftreten. Anwenden lassen sich die Ergebnisse des Forscherteams in zweierlei Hinsicht: Zum einen können Medikamente preiswerter auf Nebenwirkungen getestet werden, wenn die Wirkungsweise von Substanzen auf Nervenzellen mithilfe von Chips geprüft wird. Zum anderen lassen sich damit Gehirn-Computer-Schnittstellen weiterentwickeln, indem Interaktionen quantifiziert werden können und erkennbar ist, wie Signale ver- und entschlüsselt werden. Originalpublikation: Brain extracellular matrix retains connectivity in neuronal networks Arthur Bikbaev et al; Scientific Reports, doi: 10.1038/srep14527; 2015