Kinder halten sich am wenigsten an die Corona-Schutzmaßnahmen – weil sie Kinder sind. Trotzdem öffnen Kitas und Schulen jetzt wieder ihre Pforten. Ist das richtig?
Kinder nehmen in der Corona-Pandemie eine seltsame Position ein. Wie sich das Virus bei ihnen verhält, ist nicht vollständig geklärt. Sie können sich mit SARS-CoV-2 infizieren und das Virus übertragen. In welchem Ausmaß sie das tun, dazu gibt es in der Wissenschaft unterschiedliche Aussagen. Jüngste Studienergebnisse der Berliner Charité liefern Hinweise darauf, dass Kinder genauso infektiös sind wie Erwachsene (wir berichteten). Sie scheinen eine Ansteckung mit SARS-CoV-2 in der Regel leichter wegzustecken als Erwachsene, aber immer wieder liest man auch über schwere Verläufe und coronabedingte Todesfälle (wir berichteten).
Es gibt also viele offene Fragen. Trotz fehlender Antworten soll der Betrieb in Kitas, Kindergärten und Schulen wieder schrittweise aufgenommen werden. Für Schulen wird vorerst Homeschooling die Norm bleiben, die Zahl der täglich in Schulgebäuden anwesenden Kinder bleibt vorläufig aufgrund der Einhaltung von Hygienevorschriften und Abstandsregelungen niedrig.
Kitas öffnen nun langsam ihre Pforten, meist in kleineren Gruppen als üblich, in Sachsen herrscht ab 18. Mai wieder Normalbetrieb. Die Lockerungen sind nachvollziehbar – Kinder wollen endlich raus aus der Wohnung. Soziale Kontakte sowie der Lehrplan sollen wieder aufgenommen werden. Eltern sollen wieder in ihren Berufsalltag zurückkehren können.
Viele Argumente sprechen also für diesen Schritt. Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte wünscht sich ein schnelles Vorankommen „bei klugen Maßnahmen zum Infektionsschutz“. Was aber genau versteht man darunter? Wie will man – vor allem in Kitas – verhindern, dass ausgehend von Betreuungs- und Bildungsstätten keine Infektionswellen entstehen? Wie verhindert man, dass sich Eltern beim Abholen ihrer Kinder täglich begegnen? Wie schützt man jene Eltern der Kinder, die zur Gruppe der Risikopatienten zählen? Wie kommuniziert man mit Kindern und Eltern, wenn es erhebliche Sprachbarrieren gibt? Einrichtungen sind hier großem Druck ausgesetzt, denn sie sollen nun Antworten auf all diese Fragen liefern.
Viele medizinische Maßnahmen müssen während der Krise warten, das gilt auch für die Kindergesundheit. So schreibt Statnews, dass in den USA nun auch die Zahl der Routine-Kinderimpfungen für beispielsweise Masern und Mumps in der Corona-Krise stark sinkt.
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Die Pandemie macht deutlich: Kinder gehören zu jener Gruppe, die zur Zeit am wenigsten geschützt, am wenigsten erforscht und am wenigsten auf SARS-CoV-2 getestet wird. Kinder zählen zu denjenigen, die sich am wenigsten an die Schutzmaßnahmen halten – weil sie Kinder sind und die aktuelle Situation nicht verstehen. Aber auch, weil sie wieder in die Kitas und Schulen zurückkehren sollen. In China scheinen Schulkinder keinen Sicherheitsabstand einzuhalten, dafür tragen sie ein Schutzvisier und müssen sich die Hände desinfizieren, wie ein Tweet von China Daily zeigt. Ist das schon zu viel oder noch zu wenig?
Die aktuelle Situation können Erwachsene nur schwer einschätzen, selbst Experten tappen im Dunklen. Wie sollen Kinder also einschätzen, was richtig und was falsch ist? Sie können nicht selbst abwägen und dann entscheiden, wie sie sich während der Pandemie verhalten. Das tun die Erwachsenen für sie.
Bildquelle: Jelleke Vanooteghem, unsplash