Nach einem Apoplex verstärken Entzündungsreaktionen den Zelltod. Fingolimod, ein MS-Therapeutikum, zeigt interessante Effekte, berichten Experten auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Allerdings beschränken sich die Resultate auf wenige Patienten.
Bundesweit erleiden rund 160 bis 240 Menschen pro 100.000 Bürger einen Schlaganfall durch Minderdurchblutung. Sie profitieren im Falle eines Hirninfarkts von rasch eingeleiteten Lysetherapien oder von Neurothrombektomien per Katheter. An zweiter Stelle stehen Hirnblutungen mit etwa 24 Fällen pro 100.000 Menschen. Ärzte haben wenig Zeit, zu intervenieren, bis Hirngewebe unwiederbringlich zu Grunde geht. Genau hier setzen Forscher an.
Sie versuchen, Entzündungsreaktionen im Gehirn zu stoppen und weitere Zellen vor dem Untergang zu bewahren. Im Mittelpunkt mehrerer Studien steht Fingolimod (Gilenya®), ein bekanntes Therapeutikum bei schubförmiger Multipler Sklerose (MS). Das Pharmakon wirkt als Sphingosin-1-phosphat-Analogon immunmodulierend. Es hält Lymphozyten in den Lymphknoten zurück und verhindert deren Einwanderung in das Zentralnervensystem.
Genau diesen Effekt wollen sich Ärzte zu Nutze machen: Nach einem Schlaganfall kommt es zu vermehrten Entzündungsreaktionen im Gehirn – ausgelöst durch die massive Einwanderung von Lymphozyten. Aufgrund ähnlicher Mechanismen lag es nahe, Fingolimod bei Betroffenen zu testen. Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) wurden gleich mehrere Arbeiten diskutiert. Im Rahmen einer kleinen Studie erhielten 22 Patienten, die sich zeitlich bereits außerhalb des Lysefensters befanden, Fingolimod oder eine Standardbehandlung. Bei ihnen vergrößerten sich Läsionen um 20 Prozent (Vergleich: 40 Prozent). Hinsichtlich klinischer Parameter schnitten Patienten der Therapiegruppe ebenfalls besser ab. Von der Behandlung profitieren aber auch Menschen mit einem Schlaganfall, die sich noch im Lysezeitfenster befinden. 47 Personen erhielten randomisiert Alteplase allein oder zusätzlich Fingolimod. Kombinationen führten auf der National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) zu signifikant niedrigeren Werten, sprich geringeren Einschränkungen. Auch bei hämorrhagischen Infarkten, der zweithäufigsten Form nach ischämischen Infarkten, zeigte sich ein wünschenswerter Benefit.
Grund zur Euphorie besteht aber noch nicht – die veröffentlichten Studien schließen nur wenige Patienten ein. Um den Effekt genauer zu untersuchen, sind große Untersuchungen erforderlich. Erst dann lässt sich über eine Erweiterung der Indikation von Fingolimod nachdenken.