Das Vereinigte Königreich hat es, die Grünen fordern eines und die Wissenschaft gibt Ratschläge, wie es aussehen sollte: ein Corona-Warnsystem.
Premierminister Boris Johnson hat am Sonntag ein landesweites Alarmsystem für COVID-19 vorgestellt. Das „Covid Alert System“ soll regeln, wie schnell Lockdown-Maßnahmen gelockert werden können. Basierend auf der wissenschaftlichen Datenlage soll es die Bedrohung des Virus je nach regionaler Lage einstufen, von grün (Level eins) zu rot (Level fünf).
„Level eins bedeutet, dass die Krankheit im Vereinigten Königreich nicht länger gegenwärtig ist. Und Level fünf ist das kritischste. Eine Situation, die hätte eintreten können, wenn der NHS [National Health Service] überfordert gewesen wäre“, erklärte Johnson gegenüber BBC News. Aktuell sei die Nation bereit, von Level vier auf Level drei zurückzukehren.
Ist ein Warnsystem, wie es im Vereinigten Königreich zum Einsatz kommen wird, auch eine Option für Deutschland? Pläne dahingehend scheint es noch nicht zu geben. Doch zumindest bei den Grünen gibt es Befürworter für diesen Ansatz. Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sieht hier das RKI als verantwortliche Instanz und formuliert es gegenüber dem Tagesspiegel so: „Wir schlagen vor, dass das Robert-Koch-Institut, das RKI, fünf Corona-Warnstufen mit entsprechend verbindlichen Testpflichten definiert. Die höchste Stufe bedeutet: Hotspot, die niedrigste Stufe: so gut wie keine Fälle. Je mehr Fälle es in einer Region gibt, desto mehr Stichproben-Tests an bislang symptomfreien Personen sollte es geben. In Hotspots mit besonders vielen Infektionen sollten alle Menschen getestet werden.“
Für ein Stufensystem, wie Göring-Eckardt es vorschlägt, brauche es mehr Transparenz seitens des Bundesgesundheitsministers. Ein Rückfall könne nur „durch engmaschige und regional angepasste Kontrollen“ verhindert werden. Dazu gehöre auch eine Offenlegung der Kriterien von Bund und Ländern: Sie müssten laut Göring-Eckardt angeben, wie sie die aktuelle Obergrenze von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner festgelegt haben.
Auch in der Wissenschaft gibt es Befürworter des Warnsystems. Laut des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) ist hier die Politik am Zug. In einem Positionspapier legt das Institut einen Vorschlag vor, in welcher Form das gelingen könnte. Für ein Warnsystem seien drei Indikatoren zu berücksichtigen. Hier ein Auszug des Papiers:
Auch hierzulande könnte es sich lohnen, über die Einführung eines Warnsystems nachzudenken. Das Ansteckungsrisiko einzuschätzen, fällt Experten schwer, der Bevölkerung dementsprechend umso schwerer. Es herrscht Unsicherheit und häufig auch Unwissen, was die Ausbreitung und das Ansteckungsrisiko des Coronavirus sowie die bestmöglichen Schutzmaßnahmen betrifft.
Hinzu kommt ein gewisser Gewöhnungseffekt, der sich mit der Zeit einstellt und dazu führen kann, die aktuelle Situation weniger ernstzunehmen, als es nötig wäre. Einer Umfrage zufolge, die seit zehn Wochen mit 1.000 Bürgern durchgeführt wird, ist die Risikowahrnehmung und Akzeptanz der Maßnahmen auf ein „Vor-Lockdown-Level“ zurückgefallen.
Es braucht also eine klare Sprache, was den aktuellen Stand in der Pandemie angeht. Womöglich kann der Durchschnittsbürger auf lange Sicht mit einer Ampelfarbe mehr anfangen als mit der R-Zahl.
Bildquelle: 汤 泽坤, unsplash