Rote rissige Hände, die schmerzen – das ständige Händewaschen entfernt zwar Viren, aber auch wertvolle Fette der Haut. Ist Desinfizieren die bessere Alternative?
Kundin: „Schauen Sie sich mal meine Hände an, die platzen auf! Was kann ich tun, um das zu verhindern? Natürlich mit dem Ziel, die Coronaviren zu töten.“
DerApotheker: „Statt waschen eher desinfizieren. Und ganz wichtig: cremen, cremen, cremen!“
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Handcremes gehen im Verkauf zur Zeit ziemlich gut. Woran das liegt, dürfte natürlich jedem klar sein. Dank Corona haben die Menschen Hygiene für sich entdeckt und waschen sich nun fleißig ihre Hände oder, falls man noch Desinfektionsmittel ergattern konnte, desinfizieren sie sie sich nun relativ häufig.
In der Vor-Coronazeit wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass man im privaten Umfeld seine Hände lieber waschen als desinfizieren sollte. Desinfizieren sei übertrieben, hieß es. Doch jetzt in Zeiten von Corona hat sich das geändert. Das viele Waschen greift die Hände an. Desinfizieren ist besser für die Haut.
Eine Seife ist ein Tensid. Ohne groß ins Detail gehen zu wollen, entstehen Seifen durch das Verkochen von pflanzlichen oder tierischen Fetten mit Natronlauge oder Kalilauge. Dabei entsteht zum einen das Glycerol (früher: Glycerin genannt) und zum anderen die jeweiligen Salze der einzelnen Fettsäuren. Bei Verwendung von Natronlauge entsteht das Natriumsalz der Fettsäure und bei Verwendung der Kalilauge das entsprechende Kaliumsalz. Die entstehenden Salze sind basisch, das heißt, sie greifen den Säureschutzmantel der Haut an.
Die Haut hat einen pH-Wert von ca 5,5 und ist dementsprechend sauer, da der pH-Wert kleiner als 7 ist. Ein pH-Wert von 7 wäre neutral. Alles, was darüber liegt, wäre dann also basisch. So wie die Seife. Sie neutralisiert den Säureschutzmantel und schadet damit vorübergehend der Haut. Pilze und Bakterien können sich dadurch leichter ansiedeln. Vorübergehend, weil die Haut den Säureschutzmantel relativ schnell wieder aufbaut. Sofern sie gesund ist. Was ist ein seifenfreies Waschstück, das auch Syndet genannt wird?
Syndet steht für synthetic detergents, ein künstlich hergestelltes Tensid also. Im Prinzip genauso wie die Seife auch. Grob gesagt liegt der Unterschied im pH-Wert. Die seifenfreien Waschstücke sind pH-hautneutral, ihr pH-Wert liegt also ebenfalls bei 5,5. Angeblich soll das besser für die Haut sein, aber auch sie können die Haut austrocknen. Syndets sind bei einer Dermatitis jedoch meistens besser verträglich als Seife.
In beiden Fällen sind natürlich noch andere pflegende Substanzen zugefügt.
Werden die Hände mit Seife oder Syndet gewaschen, werden sie unabhängig vom pH-Wert durch die darin enthaltenen Tenside entfettet. Tenside sind amphiphile Moleküle, das heißt, sie lieben sowohl Fett als auch Wasser. Außerdem setzen sie die Oberflächenspannung des Wassers herab. So kommen sie besser mit den Schmutzpartikeln, aber auch den Lipiden in Kontakt und können sie leichter herauslösen.
Der Schwanz des Tensids ist lipophil (fettliebend) und der Kopf hydrophil (wasserliebend). Wäscht man sich mit Seife oder Syndet die Hände, richten sich die Tenside so aus, dass die hydrophile Seite dem Wasser zugewandt ist und die lipophile Seite den Lipiden der Haut. Es bilden sich Mizellen aus. Die lipophilen Schwänze der Tenside ordnen sich also kugelförmig um die Schmutzpartikel, aber auch um die Lipide der Haut an. Die hydrophilen Köpfe des Tensids sind dem Wasser zugewandt. Durch den Waschvorgang landen die Mizellen mit den Schmutzpartikeln, aber auch mit den Fetten der Haut, im Abfluss. Bye Bye. Auf Nimmerwiedersehen. Die Haut wird trocken und kann aufplatzen. Deshalb am besten ein rückfettendes Produkt verwenden und nach dem Waschen sofort die Hände eincremen.
Dazu kommt: Je heißer das Wasser ist, desto stärker wird die Haut entfettet. Denn erhöht man die Temperatur eines Lösemittels, lässt sich darin — bis zu einer bestimmten Konzentration — mehr von dem jeweiligen Stoff lösen. Während heißes Wasser den Händen mehr schadet, bringt es im Hinblick auf das Coronavirus SARS-CoV-2 keine Vorteile. Deshalb besser nur lauwarmes Wasser verwenden, aber dafür gründlich waschen. 20 bis 30 Sekunden sollten es schon sein.
Wenn die Hände nicht verdreckt sind und man nur eine Desinfektion erreichen will, also ein Abtöten der Keime bis zu einem gewissen Grad, kann man die Hände desinfizieren. Das Desinfektionsmittel löst zwar ebenfalls die Lipide aus der Haut, doch es verdunstet wieder während man die Hände miteinander verreibt. Die Lipide bleiben auf der Haut zurück.
Wie man die Hände richtig desinfiziert, habe ich in einem anderen Artikel bereits erwähnt: Die Hände müssen trocken sein, bevor man das Desinfektionsmittel drauf gibt. Anschließend müssen sie mit der richtigen Technik so desinfiziert werden, dass die kompletten Hände mit dem Mittel in Kontakt kommen und dabei 30 Sekunden nass bleiben. Sind sie zu früh wieder trocken, muss weiteres Desinfektionsmittel verwendet werden. Benetzungslücken sind zu vermeiden.
Dazu gibt es die Standard-Einreibemethode für die hygienische Händedesinfektion gemäß EN 1500. Das klingt zwar sehr deutsch, um aber eine komplette Desinfektion zu erreichen, ist das aber leider notwendig.Das SARS-CoV-2 ist ein behülltes Virus, das heißt, es lässt sich schon mit begrenzt viruziden Desinfektionsmitteln abtöten.
Im Vergleich zum Händewaschen mit Seife oder Syndet ist das Händedesinfizieren also schonender für die Haut. Sie wird weniger entfettet und platzt dementsprechend nicht so leicht auf. Trotzdem empfiehlt es sich, die Hände danach einzucremen.
Ich merke deutlich, dass meine Hände wesentlich trockener an den Tagen sind, an denen ich nicht in der Apotheke stehe. Während ich arbeite, versuche ich sie nach jedem Kunden zu desinfizieren, was leider nicht immer gelingt. Aber auf 50 Mal am Tag komme ich locker. Und sie fühlen sich dadurch dennoch nicht trocken an, vor allem, weil die aufgetragene Creme immer wieder durch das Desinfektionsmittel gelöst wird und zurückbleibt, wenn es verdampft.Wenn ich dann zwischendrin meine Hände wasche, spüre ich, wie erstmal die ganze Creme runtergewaschen wird, auch wenn ich sie schon eine Weile nicht mehr eingecremt habe.
Wenn ihr also extrem trockene Hände habt, dann versucht — falls vorhanden — eher auf Desinfektionsmittel zurückzugreifen und stattdessen die Hände weniger zu waschen. Solange das neuartige Coronavirus wütet, ist das für eure trockenen Hände die bessere Option.
Ansonsten: Cremen, cremen, cremen! Am besten natürlich eine Handcreme, die extra für trockene Hände gedacht ist, z.B. eine mit 5 Prozent Urea. Zum Schlafen könnt ihr eine extra dicke Schicht der Creme auftragen und anschließend Baumwollhandschuhe drüber ziehen. Statt der Urea-Creme könnt ihr auch eine Panthenolcreme verwenden. Das enthaltene Dexpanthenol fördert die Wundheilung.
Welche Handcreme ihr vorbeugend nutzt, ist im Prinzip egal, solange ihr euch nur oft genug die Hände damit eincremt und sie nicht trocken werden lasst.Ihr könnt mir gerne berichten, ob eure Hände dadurch besser werden oder ob ihr noch andere Tipps habt.
#DerApotheker
Bildquelle: Alan Levine, flickr