Ein neuartiges Tiermodell gibt Anlass zur Vermutung, dass die akute lymphatische Leukämie (ALL) aufgrund eines komplexen Zusammenspiels von genetischer Disposition und Infektionen in der frühen Kindheit entsteht. Liefert diese Erkenntnis neue Präventionsmöglichkeiten?
Die Hypothese, dass Leukämien durch infektiöse Trigger mitbeeinflusst werden könnte, hatte bereits 1917 der britische Militärarzt Dr. Gordon Ward erstmals formuliert. Jedoch ist bis dato nicht bekannt, wie genau solche externen Faktoren das Immunsystem beeinflussen und dies dann bei genetisch suszeptiblen Kindern zur Leukämieentstehung führt. In aufwändigen Untersuchungen konnte nun gezeigt werden, dass Leukämie-suszeptible Mäuse nur dann eine Leukämie entwickeln, wenn sie nach der Geburt Umwelt-Pathogenen ausgesetzt sind. In Gegensatz dazu bleiben leukämiesuszeptible Tiere, die in keimfreien Käfigen untergebracht sind, lebenslang gesund.
Eine Studie der deutschen Arbeitsgruppe der Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Klinische Immunologie des Universitätsklinikums Düsseldorf wirft ein völlig neues Licht auf die Mechanismen der Leukämieentstehung. Zum einen zeigten die Forscher, dass erbliche Leukämiesuszeptibilität nicht automatisch in allen Tieren eine Leukämie auslöst. Zum andern identifizierten die Forscher eine präleukämische Zellpopulation, die weitere genetische Veränderungen bzw. Mutationen benötigt, um sich zu einer klinisch manifesten Leukämiepopulation zu entwickeln. Diese präleukämischen Zellen scheinen zudem besonders anfällig für solche zusätzlichen genetischen Veränderungen zu sein. Mit Hilfe der Next-Generation-DNA-Sequenzierung und Maus-zu-Maus-Transplantationen gelang der Nachweis aktivierender Mutationen in bereits identifizierten, gut bekannten Onkogenen, die bei Mensch und Maus gleich sind. Zum ersten Mal rekapituliert dieses neuartige in vivo Modell damit die Situation bei Kindern, die an einer ALL erkrankt sind und deren Immunsystem ebenfalls mit einer Reihe von infektiösen Erregern gefordert wird – besonders in der präleukämischen Phase, bevor die klinische Diagnose gestellt werden kann. Originalpublikation: Infection exposure is a causal factor in B-precursor acute lymphoblastic leukemia as a result of Pax5 inherited susceptibility Alberto Martin-Lorenzo et al.; Cancer Discovery, doi: 10.1158/2159-8290.CD-15-0892; 2015