Forscher aus Tübingen und München haben eine neuartige Gentherapie für die vollständige Farbenblindheit entwickelt. Ein vielversprechender Ansatz in der Theorie, doch ist das Verfahren auch sicher? Antworten soll eine erste klinische Studie liefern.
Bei Achromatopsie - der vollständigen Farbenblindheit - können Betroffene keinerlei Farben sehen, die Sehschärfe ist stark reduziert und die Blendungsempfindlichkeit sehr hoch. Der Grund hierfür ist ein Defekt der Zapfen-Lichrezeptoren, die für das Farbensehen zuständig sind. Dieser existiert von Geburt an, eine ursächliche Behandlung gibt es bislang nicht.
Allerdings ist bekannt, dass etwa 90% der Fälle durch 6 verschiedene Genvarianten erklärt werden können. Bei etwa einem Drittel der Patienten liegt der Defekt im CNGA3-Gen, das für die α- und β-Untereinheit des CNG-Kanals kodiert. Dieser ist entscheidend für die Phototransduktion. Für diesen Gendefekt hat eine Gruppe aus Forschern vom Universitätsklinikum Tübingen und vom LMU Klinkum eine gentherapeutische Behandlung entwickelt.
Ein adeno-assoziiertes Virus dient als Vektor um eine gesunde Version des CNGA3-Gens in die Netzhaut der Patienten einzuschleusen. Dieses kann dann die entsprechenden Proteine bilden und so die Funktion der Zapfen wiederherstellen. So weit die Theorie.
Nach der Testung in einem Mausmodell und verschiedenen präklinischen toxikologischen Studien, wurde nun die Therapie erstmals in einer klinischen Studie an Patienten getestet. Vorrangig war hierbei, die Sicherheit des Verfahrens zu evaluieren. Insgesamt neun Patienten zwischen 24 und 59 Jahren wurde hierfür der gentherapeutische Wirkstoff unilateral unter die Netzhaut injiziert. Die Probanden wurden in drei verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Wirkstoffdosen eingeteilt. Anschließend wurden sie über einen Zeitraum von 12 Monaten beobachtet.
Als Grenzen zur Einschätzung der Sicherheit wurden der Rückgang des Sehvermögens um mehr als 15 Buchstaben bei der Visusbestimmung in 1m Entfernung sowie schwere vektorinduzierte Entzündungsreaktionen, die auf keine Behandlung ansprechen, definiert. Doch glücklicherweise wurde von keinem Patienten einer dieser Punkte erreicht. Auch die Analyse der systemischen Sicherheit mittels Vitalparameter und verschiedener Blutuntersuchungen, ergab ein exzellentes Sicherheitsprofil für das gentherapeutische Verfahren. Darüber hinaus konnten auch hinsichtlich der Wirksamkeit positive Effekte verzeichnet werden: Die visuelle Funktion der Patienten verbesserte sich sowohl bei der Sehschärfe, als auch beim Kontrast- und Farbensehen etwas.
Aus Sicherheitsgründen waren die Patienten jedoch alle im Erwachsenenalter. Die Netzhaut wies also bereits diverse Vorschädigungen auf und - viel entscheidender - die neuronale Plastizität im Erwachsenenalter ist vermindert. Diese ist allerdings eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Verfahrens, denn das Gehirn, das noch nie Farbsehen verarbeitet hat, muss erst lernen, die neugewonnene Sehfähigkeit in einen echten Sinneseindruck umzusetzen. Die klinische Sicherheit des Verfahrens scheint jedoch gegeben. Nun wäre der nächste Schritt, die gentherapeutische Behandlung auch an Kindern zu testen, bei denen die neuronale Plastizität noch einen stärkeren Einfluss haben könnte.
Textquelle: Fischer et al. / JAMA Ophthalmology
Bildquelle: Wikimedia Commons