ABDA-Chef Friedemann Schmidt beeindruckte beim Apothekertag mit einer offensiven Rede. Er will den Gesellschaftsvertrag zwischen Apothekern und Regierungsvertretern neu auflegen. Große Worte – nur fehlen die Druckmittel, sollten sich Politiker quer stellen.
25 Jahre Wiedervereinigung – auch für Apotheker ein zentrales Ereignis. Auf Basis des „Kulmbacher Papiers“, eines strategischen Grundsatzdokuments, entschieden sich DDR-Kollegen damals für freiberufliche Tätigkeiten. Genau hier knüpft ABDA-Präsident Friedemann Schmidt an. Freiberuflichkeit sei „keine Floskel“ und „keine Einbahnstraße“, sondern beruhe auf einem „impliziten Vertrag“. Jetzt ist es an der Zeit, nachzujustieren.
Seit Jahrzehnten erfüllen Apotheker ihren am Gemeinwohl orientierten Beitrag. Dazu gehört die Arzneimittelversorgung mit allen Facetten: Nacht- und Notdienste, Rezepturen oder BtM-Dokumentationen. Politiker ziehen sich aber mehr und mehr aus ihrer Verantwortungen. In den letzten Jahren haben GKVen gegenüber Apothekern an Macht und Einfluss gewonnen. Bestes Beispiel sind die Rabattverträge mit unbekanntem Inhalt. Schmidt: „Wir Apotheker sind auch in Zukunft bereit, unsere Verpflichtungen aus dem Vertrag mit der Gesellschaft zu erfüllen. Wir erwarten aber von der Politik, dass sie sich zu unserem System bekennt und sich offensiv dafür einsetzt.“ Wie soll das gelingen?
Der ABDA-Chef sieht drei zentrale Punkte, um den Gesellschaftsvertrag zu erneuern. Apotheker und Kassen sollten sich wieder auf Augenhöhe begegnen. Darüber hinaus bleibt als Erwartung, mehr Verantwortung zu übernehmen. Beim Präventionsgesetz sind Kollegen außen vor, und beim E-Health-Gesetz droht eine ähnliche Eskalation. Bleibt noch, ökonomische Grundlagen zu schaffen, um Inhabern eine Basis für ihre Arbeit zu geben. Für seine Rede erntete Schmidt viel Applaus und Zustimmung. Große Worte – nur was tun, sollte die Bundesregierung entsprechenden Vorschlägen nicht folgen? Dann seien Deutschlands Apotheker nicht mehr bereit, „unseren Versorgungsauftrag in der bislang gewohnten Großzügigkeit zu interpretieren“. Er hält einen „Dienst nach Vorschrift“ für möglich.
Diese Befürchtung ist durchaus berechtigt, wie Fritz Becker in seinem Wirtschaftsbericht dargestellt hat. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) will erreichen, dass Vergütungen per Gesetz regelmäßig überprüft werden. „Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse, wir brauchen Unterstützung in der Sache“, sagte er in Richtung Politik. Nach wie vor streiten alle Beteiligten, welche Datenbasis hier zur Anwendung kommen sollte. Becker: „Gesundheitsministerium und Wirtschaftsministerium schieben sich hier in einem ‚Schwarzer Peter‘-Spiel gegenseitig die Verantwortung zu und verzögern den Prozess.“ Die aktuelle Methode bezeichnet er als „leistungsfeindlich“. Auch bei Retaxationen ist kein Land in Sicht. Spitzenverbände haben die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Jetzt warten alle Akteure gespannt, wie die Schiedsstelle reagieren wird. Darüber hinaus sieht Becker dringenden Anpassungsbedarf bei der Rezepturgebühr, der Vergütung von BtM-Dokumentationen sowie den Nacht- und Notdienstzuschlägen. Das Bundesministerium für Gesundheit erteilte entsprechenden Vorstellungen sofort einen Dämpfer.
Staatssekretär Lutz Stroppe lobte zwar die „unverzichtbare Kompetenz“ von Apothekern, blieb aber im Detail unverbindlich: „Sie haben hier unsere Bereitschaft. Mit der Voraussage, dass wir nicht alle ihre Forderungen erfüllen werden.“ Medikationspläne betrachtet er zwar als „gemeinsame Aufgabe von Arzt und Apotheker“. Gleichzeitig sieht er bei entsprechenden Dokumenten einen „unmittelbaren Zusammenhang mit ärztlichen Diagnosen“. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens von den Grünen sieht jedoch Apotheken in der Pflicht. Dort liegen alle Informationen vor, gerade zur Selbstmedikation. „Für den Patienten muss die Wahl, wer den Medikationsplan erstellt, seine eigene sein“, lautet ihr Kompromissvorschlag. Harald Weinberg von der Linken witterte beim E-Health-Gesetz strukturelle Maßnahmen zu Gunsten der Ärzteschaft, was Stroppe dementierte. Am Geld liegt es – ausnahmsweise – nicht. Der Staatssekretär sprach von Kosten im „unteren zweistelligen Millionenbereich“. Angesichts der vorliegenden Finanzreserven würde das nicht zu steigenden Kassenbeiträgen führen.
Mit Kosten ist das immer so eine Sache, wie sich beim Nacht- und Notdienstzuschlag gezeigt hat. Genau 16 Cent fließen für jedes verschreibungspflichtige Medikament in den Fonds. Fritz Becker kritisierte, damit werde die ursprüngliche Summe von 120 Millionen Euro nicht erreicht. „Wer hat diese Zusage eigentlich gegeben?“, will Lutz Stroppe wissen. Er selbst hätte dies in Gesprächen nicht nachvollziehen können. Hinweisen auf Daniel Bahr (FDP) schenkte er keinen Glauben; dieser hätte entsprechende Aussagen verneint. Wie ärgerlich, dass im Web so mancher Sachverhalt dokumentiert worden ist. Spitzenvertreter wollen erneut nachhaken, um hier mehr Klarheit zu schaffen.
Ein Fazit: ABDA-Chef Friedemann Schmidt ist zusammen mit Kollegen des Deutschen Apothekerverbands und der Bundesapothekerkammer in die Offensive gegangen. Paradigmenwechsel oder Taktik? Viele Delegierte waren erstaunt, stellen sich aber im Nachgang eine Frage: Wie geht es weiter, wie lässt sich Druck auf die Regierung ausüben? Gespräche im Hinterzimmer haben zumindest in letzter Zeit nicht den erwünschten Effekt gezeigt.