Die Aminosäure Asparagin, die in Spargel und anderen Lebensmitteln enthalten ist, hat Auswirkungen auf die Streuung von Tumorzellen. Versuche mit krebskranken Mäusen zeigen: Mit einer asparaginarmen Ernährung lässt sich die Metastasierung reduzieren.
Volkmar Nüssler, geschäftsführender Koordinator des Tumorzentrums München, hat im letzten Jahr ein viel beachtetes Buch geschrieben. „Stark gegen Krebs“ handelt von einer Ernährungsweise, die der Entstehung von Tumoren vorbeugen oder dazu beitragen kann, ein Rezidiv zu verhindern. Können so genannte „Krebs-Diäten“, wie im Buch beschrieben, dabei helfen? Gibt es aus onkologischer Sicht überhaupt „gute“ und „schlechte“ Bestandteile unseres Essens? Hinweise auf Antworten gibt es durch Studien an Tiermodellen. Erst vor Kurzem publizierte ein englisch-amerikanisches Team im renommierten Fachjournal „Nature“ eine multizentrische Studie unter der Koordination von Gregory Hannon. Sie untersuchten, ob Brustkrebs bei Mäusen durch bestimmte Nahrungsmittelbestandteile beeinflusst werden kann. Bestandteile im Futter schienen dabei Metastasen zu fördern. Insbesondere Asparagin soll im Stoffwechsel zirkulierender Tumorzellen eine wichtige Rolle spielen. Die Aminosäure kommt in der Natur in höherer Konzentration vor allem in Milchprodukten, Fleisch, Hülsenfrüchten und dem namensgebenden Spargel vor. Sie ist an vielen Stoffwechselprozessen beteiligt und kann im Körper auch selbst synthetisiert werden.
Das Team um Hannon analysierte die Genexpression bei zwei metastasierenden Brustkrebszelllinien bei Mäusen, um zu den sogenannten „Driver-Genen“ vorzustoßen. Die Daten wiesen auf rund 200 Gene hin, die in diesen Zelllinien besonders aktiv waren. Sie stimmten auch im Großen und Ganzen mit jenen Genen überein, die bei retrospektiven Analyse von Patientendaten mit rezidivierenden und metastasierenden Tumoren herausstachen. Um den Kreis der möglichen Driver-Gene weiter einzuengen, nutzten Hannon und seine Kollegen das Werkzeug der RNA-Interferenz (siRNA), mit dem sie bei den Mäusen die Transkription einzelner Gene gezielt blockierten. Wenn ein Tumor nach der Blockierung des Gens nicht mehr streut, kann man davon ausgehen, dass das entsprechende Gen an der Streuung beteiligt ist. Den Forschern fiel im Zusammenhang mit der Metastasierung die Asparagin-Synthetase als eines der Driver-Gene auf. Der Organismus nutzt das Enzym normalerweise, um Asparagin aus Aspartat und Glutamin zu synthetisieren. Das Enzym ist bereits aus dem klinischen Bereich bekannt, denn die erhöhte Expression von Asparagin-Synthetase weist bei Patientinnen mit Mammakarzinom auf ein Rezidiv hin.
Offensichtlich spielt die Asparagin-Synthetase aber nicht nur bei Brustkrebs eine Rolle, sondern auch bei anderen malignen Erkrankungen. In vier von zehn untersuchten Tumorarten korrelierte ihr Auftreten negativ mit der Überlebenszeit der Patienten. Im Vergleich der Expression bei Primärtumoren und den entsprechenden Lungenmetastasen ist das Enzym bei den entfernten Tumorherden aktiver als in den ursprünglichen Tumorzellen. Im direkten Test im Maus-System senkte die Blockierung des Asparagin-Synthetase-Gens mittels RNA-Interferenz die Metastasenrate. Fast ganz frei von sekundären Tumoren waren Tiere, die nach der Injektion der Brustkrebs-Klone zwar den Primärtumor trugen, deren Asparagin-Spiegel dabei aber zweifach unterdrückt wurde: Sowohl durch RNA-Interferenz und außerdem durch zugebene Asparaginase. Dieses Enzym baut Asparagin zu Asparaginsäure ab. Gaben die Forscher dagegen zusätzliches Asparagin, förderte das in ihren in-vitro-Experimenten die Metastasierung von Tumorzellen. Asparaginase ist in der Onkologie nicht ganz unbekannt. Während die Gabe dieses Enzyms bei soliden Tumoren kaum wirkt, gehört es bei der Behandlung von akuter lymphatischer Leukämie inzwischen schon fest zum Werkzeugkit der Ärzte. Seit 2016 ist der Wirkstoff bei der Behandlung dieser Form von Blutkrebs zugelassen. Sollte der Asparaginspiegel eine wichtige Rolle bei der Metastasierung spielen, dann müsste er doch auch durch eine angemessene Ernährung zu beeinflussen sein? Das Team um Hannon testete diese These in ihrem Maussystem. Sie fütterten ihre tumorinfizierten Tiere mit asparaginarmer beziehungsweise -reicher Kost. Tatsächlich tauchten in der Gruppe mit Asparaginrestriktion deutlich weniger Metastasen auf. Wurden die Asparagin-Synthetase-Gene im Tumor zusätzlich blockiert, streute der Tumor gar nicht mehr. Auf das Wachstum des Primärtumors hatte die Restriktion aber keinen Einfluss.
Wie Hannon und seine Mitarbeiter in ihren Analysen zeigten, ist der natürliche Asparginspiegel in der Brustdrüse in der Maus und im Menschen höher als im Serum. Selbst wenn weniger Asparagin mit der Nahrung zugeführt wird, reichert sich Asparagin nach wie vor in der Brustdrüse an. Der Organismus kann die nicht-essenzielle Aminosäure nämlich selbst synthetisieren. Eine asparaginarme Ernährung hat deshalb keinen Effekt auf den Primärtumor in der Brust. Im Serum, in dem der Spiegel natürlicherweise niedrig ist, ist der Effekt hingegen sichtbar – es entstehen weniger Metastasen. Eine Erklärung dafür könnte in der Differenzierung von Endothelzellen zu Mesenchymzellen (epithelial-mesenchymale Transition, EMT) liegen. Proteine, die dabei eine Funktion erfüllen, sind häufig stark asparaginhaltig. EMT spielt bei der Embryonalentwicklung, bei der Wundheilung, aber auch bei Fibrosen und der Metastasierung von Krebszellen eine wichtige Rolle. Bei einer Analyse kam das englische Team um Hannon auf bis zu 19 Prozent mehr Asparagin in diesen „EMT-up“-Proteinen. Eine Inaktivierung der Gene für „EMT-up“-Proteine verringerte die Zahl der Metastasen.
Eine finnische Gruppe konnte in ihren Untersuchungen zeigen, dass Asparagin auch beim Endometriumkarzinom eine wichtige Aufgabe im Stoffwechsel der malignen Zellen spielt. Jutta Huvila aus Turku und ihre Kollegen suchten bei diesem Tumor nach einem geeigneten Marker, um aggressive von weniger aggressiven Tumoren zu unterscheiden. Das Gen ASRGL1, das für die asparginspaltende L-Asparginase kodiert, scheint ein guter Hinweis auf Überlebenschancen zu sein. Der Verlust des ASRGL1-Gens steht für eine schlechte Prognose der Krankheit. Neben acht zum Teil gut etablierten Tumormarkern war ASRGL1 in aggressiven Tumoren sogar aussagekräftiger als p53.
Könnte demnach eine entsprechende Ernährung zumindest die Metastasierung eines aggressiven Mammakarzinoms stoppen und vielleicht auch bei anderen Tumorerkrankungen helfen? Da der Körper Asparagin selbst synthetisieren kann, bringt der Verzicht auf Rindfleisch, Geflügel, Nüsse oder Spargel wohl nur einen begrenzten Effekt. „Bei einem völligen Verzicht auf alle genannten Lebensmittel besteht das Risiko einer Mangelernährung.“, weist jedoch Nina Maria Weber vom Tumorzentrum München hin. „Eine Gefahr, die derzeit immer noch für 20 bis 30 Prozent aller Todesfälle bei Krebspatienten verantwortlich ist.“ Eine Untersuchung aus North Carolina zeigt beispielweise, dass sich andere Bestandteile des Spargels wiederum positiv auf Tumorerkankungen auswirken können. Stephanie Sullivan und ihre Kollegen testeten die Wirkung von Polysacchariden aus Spargel auf endometriale Tumorzelllinien und im Mausmodell. Im Gegensatz zu den Hinweisen auf schädliches Asparagin erwies sich hier der Spargel als tumorhemmend. Zelladhäsion und invasives Verhalten nahmen in der Zellkultur ab, genauso wie Tumormasse und -wachstum in der Maus. Noch sind die Zusammenhänge zwischen Stoffwechsel von Tumorzellen und bestimmten Nahrungsmitteln zu komplex, um daraus Schlüsse für Patientenempfehlungen ziehen zu können. Auf Spargel und andere asparagin-haltige Nahrungsmittel sollten Krebspatienten allerdings nicht verzichten. Grundsätze für eine gesunde, ausgewogene Ernährung, wie sie etwa Volkmar Nüssler empfiehlt, soll den Heilungsprozess zumindest unterstützen.