Dass sich kollidierende Fibroblasten gegenseitig abstoßen können, ist bereits seit den 1950er-Jahren bekannt. Doch erst jetzt konnte die molekulare Signalkette aufgeklärt werden, die diesen Vorgang reguliert. Auch bei der Krebs-Metastasierung spielt der Mechanismus eine wichtige Rolle.
In den frühen 1950er-Jahren entdeckte der britische Zellbiologe Michael Abercrombie, dass sich kollidierende Fibroblasten gegenseitig abstoßen und dabei die Bewegungsrichtung ändern. Er nannte dieses Phänomen „contact inhibition of locomotion“. Obwohl dabei einzelne Proteine als wichtige Faktoren identifiziert wurden, glichen die molekularen Grundlagen dieser Reaktion eher einem Puzzle im Anfangsstadium.
Vor allem war ungeklärt, welche Abstoßungssignale beteiligt sind, wie sie von außen in die Zelle gelangen und wie sie das Zytoskelett beeinflussen. Denn das reguliert seinerseits die Zellbewegung. Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Olivier Pertz an der Universität Basel hat nun genau diese Fragen beantwortet. Sie identifizierte eine zusammenhängende Signalkette, die aus drei Proteinen namens Slit2, Robo4 und srGAP2 besteht und folgendermaßen funktioniert:
Schaltet man die Funktion von Slit2, Robo4 oder srGAP2 aus, bleiben zusammenstoßende Zellen aneinander kleben und kommen nicht so leicht wieder voneinander weg.
Das Besondere an dieser Signalkette ist, dass sie sich an der Zellfront befindet, und zwar auch dann, wenn Zellen nicht miteinander kollidieren, sondern sich frei bewegen. Indem in der Zelle eine Art „molekulare Stoßstange“ zusammengesetzt wird, ist für den Fall einer Kollision zwischen Zellen vorgesorgt. Wo genau diese Stoßstange platziert werden muss, nämlich nur in den sich nach vorne bewegenden Teilen der Zelle, wird durch die Zellgeometrie bestimmt, die wiederum vom Protein srGAP2 dechiffriert wird. Durch die Integration von Membrankrümmung und Abstoßungssignalen wird somit sichergestellt, dass die Zell-Zell-Abstoßung an der richtigen Stelle stattfindet. Diese Abstoßungsreaktion könnte eine wichtige Rolle bei der Metastasierung von Krebs spielen. Dafür spricht, dass die Expression von Slit und Robo bei mehreren Krebsarten dereguliert ist. Originalpublikation: SrGAP2-Dependent Integration of Membrane Geometry and Slit-Robo-Repulsive Cues Regulates Fibroblast Contact Inhibition of Locomotion Rafael Dominik Fritz et al.; Developmental Cell, doi: 10.1016/j.devcel.2015.09.002; 2015