Deutschland will stärker nach aktiven, symptomlosen Infektionen suchen. Immer wieder ist von Massentests die Rede. Aber wie soll das gelingen?
Um aktive Infektionen nachzuweisen, sind Untersuchungen von Abstrichen oder Sputum per PCR der Goldstandard. Aber: Das Verfahren ist methodisch anspruchsvoll und kann nicht überall durchgeführt werden.
Die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) vertreten bundesweit 200 Labore, das entspricht rund 80 Prozent der Testkapazität. Von ihnen führen aktuell 111 Einrichtungen die SARS-CoV-2-Testung durch. Regelmäßig werden Zahlen veröffentlicht.
Deutschland schneidet mit 22.911 Untersuchungen pro Million Menschen im weltweiten Vergleich extrem gut ab. Selbst stärker betroffene Länder wie die USA oder Spanien kommen auf deutlich schlechtere Werte.
© ALM-Pressekonferenz / Screenshot: DocCheckhreibung
Aber es soll mehr getestet werden: Deshalb steht die bisherige RKI-Regel „Tests bei asymptomatischen Personen werden nicht empfohlen“ zur Disposition. Denn Jens Spahns „Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ sieht vor, Tests auf Infektionen als Kassenleistung unabhängig von Symptomen durchzuführen.
Bisher existiert das Regelwerk nur als Entwurf. Es öffnet aber die Tür zu Massentests. Für einen Standard-PCR-Test zahlen Kassen laut GKV-Spitzenverband 59 Euro. „Die fachärztlichen Labore in Deutschland haben die Kapazität, mehr als bisher gezielt zu testen“, sagt ALM-Vorstand Dr. Michael Müller. Bundesweit seien die Kapazitäten in den letzten Wochen weiter gesteigert worden.
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Die Herangehensweise hat – trotz großer Kapazitäten – einen Nachteil. Ärzte und Patienten warten auf Ergebnisse. Manchmal dauert es mehrere Tage, bis Ergebnisse vorliegen.
Viele Hersteller arbeiten zwar an Kartuschentests oder haben solche Systeme bereits im Angebot. Die aufbereitete Probe wird in einen Automaten gesteckt, mehr ist nicht zu tun. Und in 40 bis 45 Minuten liegt das Ergebnis vor. Solche Geräte können sich jedoch nur große Kliniken leisten.
In Nature Biotechnology stellen Forscher einen Test auf Basis der Genschere CRISPR-Cas vor. Sie kommen ohne aufwändige Technik aus. Lediglich ein Labor zum sicheren Umgang mit Patientenproben wird benötigt. Ergebnisse liegen bereits in 40 Minuten vor.
Das geht so: Im ersten Schritt wird mit der isothermen Amplifikation das virale Erbgut vervielfältigt. Die Temperatur bleibt konstant; man kommt ohne spezielle Geräte (Thermocycler) aus. Anschließend erkennt die Genschere zwei RNA-Muster des neuartigen Coronavirus.
Bei Tests mit anderen bekannten Coronaviren traten keine Kreuzreaktionen auf. Anschließend wurden 83 Nasen-Rachen-Abstriche per PCR und per Genschere untersucht. „Im Vergleich zum PCR-Assay zeigten unsere Testergebnisse mit CRISPR-Cas bei den positiven Ergebnissen eine 95-prozentige Übereinstimmung, bei den negativen Ergebnissen waren es 100 Prozent“, heißt es im Artikel. Jetzt geht es in Richtung Zulassung.
Alle Strategien der Testung im Krankenhaus oder in der Praxis haben dennoch einen Schönheitsfehler. Menschen ohne schwere Erkrankungen scheuen momentan den Weg zu Arzt. Wartezimmer sind in Corona-Zeiten oft recht leer.
Die wissenschaftliche Community weiß Rat. Feng Zhang vom Massachusetts Institute of Technology hat auf Basis des CRISPR-Cas-Systems sein Diagnose-Tool „SHERLOCK“ entwickelt. Bislang sind dafür mehrere Temperaturschritte erforderlich.
Auf seiner Website lädt Zhang Forscher ein, sich an den Arbeiten zu beteiligen, um ein laientaugliches System zu schaffen. „Das Ziel ist eine einstufige Reaktion: Sie lassen es laufen, öffnen die Teströhre und legen einen Papierstreifen hinein“, schreibt der Forscher.
Gelingt ihm dieser Schritt, könnten sich potenziell Infizierte selbst engmaschig testen. Vielleicht ist es ja doch nur ein grippaler Infekt. Schlägt das System im Badezimmer an, bleiben Infizierte ohne schwere Symptome zu Hause. Bei leichten Beschwerden kann der Arzt ohnehin nichts ausrichten.
Ähnliche Pläne hat der Biotech-Unternehmer Jonathan Rothberg, Chef von HomoDeus. Breits am 7. März twitterte er über die Idee, Schnelltests für den Hausgebrauch einzuführen. Sein Kit soll aus mehreren Minigefäßen mit lyophilisierten Reagenzien bestehen. Sie werden in einer bestimmten Menge Wasser gelöst. Röhrchen 1 schließt Zellen im Abstrich auf. In den Röhrchen 2 und 3 wird das virale Erbgut vervielfältigt. War SARS-CoV-2 zugegen, kommt es zu einer Farbreaktion, die per App ausgewertet wird. Details nennt Rothberg an dieser Stelle nicht.
Es gibt viele vielversprechende Ansätze, aber um aktuelle Probleme zu lösen, reichen Ansätze nicht. Aktuell gibt es zu den PCR-Tests noch keine Alternativen, wenn es um die Frage nach aktiven Infektionen gibt. Es gibt aber noch eine weitere Frage, die sich aufdrängt: Selbst wenn wir alle testen könnten:
Was machen wir mit Daten nach PCR-Massentests?
Verschärfen wir im schlimmsten Fall die Einschränkungen wieder, um sie einige Wochen später erneut zu lockern?
Von solch einem Stop-and-Go-Prinzip hält Miquel Oliu-Barton von der Université Paris Dauphine nichts. Er hat auf Basis mathematischer Simulationen ein spezielles Modell entwickelt, um Testergebnisse und Shutdowns geschickt zu kombinieren.
Dazu teilt der Forscher ein beliebiges Land in Verwaltungsbezirke ein. Bei uns eignen sich Städte oder Landkreise. In jeder dieser Zonen testen Ärzte bestmöglich auf aktive SARS-CoV-Infektionen. Anhand der Ergebnisse bekommt jedes Gebiet den Status „rot“ (viele aktive Infektionen) oder „grün“ (kaum aktive Infektionen).
Mit diesem Modell wären deutlich gezieltere Einschränkungen in „roten“ Gebieten möglich, während man in grünen Bereichen die Maßnahmen lockern könnte.Bildquelle: Barth Bailey/Unsplash