Keine telefonischen Krankschreibungen mehr, entschied der Gemeinsame Bundesausschuss und erntete massive Kritik. Nun wurde zurückgerudert – vorerst.
Die Ausnahmeregel zur Krankschreibung per Telefon hat vielen Haus- und Kinderärzten in den vergangenen Wochen den Praxisalltag erleichtert. Nun hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) diese Regelung eigentlich zum Beginn dieser Woche aufgehoben. Das verärgerte viele Ärzte, nun scheint der G-BA einzulenken.
Zunächst hatte es seitens des G-BA geheißen, man könne die Regelung „ohne Gefahr einer Erhöhung des Infektionsrisikos für Patientinnen und Patienten oder Ärztinnen und Ärzte“ auslaufen lassen.
Das stieß auf harsche Kritik seitens der Ärzte. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) fragte auf Twitter, ob der Infektionsschutz plötzlich zu vernachlässigen sei. Er hielt die Streichung für kontraproduktiv:
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung kritisierte die Entscheidung. Der G-BA habe „gegen die Stimmen der Ärzteschaft“ gehandelt. „Wir hatten uns im G-BA für eine Verlängerung bis 3. Mai eingesetzt“, wird Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender, in einer Pressemitteilung zitiert. Dies wäre deckungsgleich mit den fortgeführten Maßnahmen der Bundesregierung zur Kontaktsperre gewesen. Er vermutete, dass der Druck seitens der Arbeitgeber eine Rolle in der Entscheidung gespielt haben könne.
Medizin-Blogger Kinderdok spekulierte dazu auf Twitter, dass einige Kollegen vielleicht besorgt seien, im kommenen Quartal zu wenig Geld zu verdienen. Das Aussetzen einer solchen Regelung würde dazu führen, dass Kinder, die keinen Arzt brauchten, in die Praxis kommen und sich dort etwas „abholen“, schreibt er außerdem.
Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) äußerte sich zu dem Thema. Es sei mehr als unverständlich, wenn man nun – kurz vor dem Neustart der Schule – Eltern und Patienten erklären müsse, dass Krankschreibungen bei Corona-Verdacht wieder nur nach persönlicher Vorstellung möglich seien, sagte Dr. Dominik Ewald vom BVKJ. „Das würde auch allen bisher erfolgten Maßnahmen zur Eindämmung der Infektion widersprechen.“
Der Berufsverband weist außerdem darauf hin, dass viele Pädiater über unzureichende Schutzkleidung klagen und mittlerweile eigene Schutzmaßnahmen – wie das Einsetzen von Plexiglasscheiben am Empfang – ergriffen hätten. Auch ein Twitter-User merkte an, wie paradox es sei, dass man noch nicht mal ausreichend Schutzkleidung für die Praxis zur Verfügung stellen könne, nun aber wieder für vermehrten Patientenverkehr sorge:
Nun lenkte der G-BA ein und gab heute bekannt, dass die Krankschreibungen bei leichten Atemwegserkrankungen vorerst wohl doch auch weiterhin nach telefonischer Anamnese erfolgen könne. Dazu erklärte Prof. Josef Hecken, Vorsitzender des G-BA, man werde die Regelung mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zum 04. Mai 2020 verlängern.
Wieso der plötzliche Sinneswandel? In der Pressemitteilung bezieht man sich auf die am Wochenende „vorgetragenen unterschiedlichen Einschätzungen zur Gefährdungslage für Patientinnen und Patienten in den Arztpraxen wegen zum Teil noch fehlender Schutzausrüstungen“.
Bildquelle: Raphaël Biscaldi, Unsplash