Rund 6.400 Ärzte und Pflegekräfte haben sich in Deutschland mit SARS-CoV-2 infiziert, acht sind bereits gestorben. So meldet es das RKI. Doch es gibt große Lücken bei der Erfassung. Das Problem: Es fehlt ein zentrales Melderegister.
Die Infektionen bei medizinischem Personal in Deutschland steigen, berichtet das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinem Lagebericht vom Donnerstag. 6.395 Mitarbeiter in Krankenhäusern und Arztpraxen seien in Deutschland mit dem Coronavirus infiziert. Acht von ihnen seien an COVID-19 gestorben.
Damit hat sich die Zahl der gemeldeten Infektionen in dieser Berufsgruppe innerhalb der letzten zwei Wochen beinahe verdreifacht. Als das RKI vor zwei Wochen seinen Bericht vorlegte, war von 2.300 infizierten Klinikmitarbeitern die Rede. Allerdings hatte das Institut angemerkt, dass es eine Dunkelziffer gebe, weil manche Gesundheitsämter aus Kapazitätsgründen auf die Berufsgruppe bezogene Zahlen nicht weiterleiteten. Auf Nachfrage teilten manche der rund 400 Gesundheitsämter in Deutschland auch mit, die Berufe generell nicht zu erfassen.
Großbritannien, Spanien und Italien beispielsweise erfassen zentral die Zahl der betroffenen Mediziner und Pflegekräfte. Das Problem, das sich nun offenbart: In Deutschland existiert kein zentrales Melderegister für infiziertes medizinisches Personal.
Noch weniger als über Mitarbeiter in Kliniken und Praxen weiß man über die Anzahl von infizierten Mitarbeitern in der Altenpflege. Doch genau das sind die Herde der Infektion: Besonders in Alten- und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern häufen sich laut RKI SARS-CoV-2-bedingte Ausbrüche. Hier sei die Zahl der Verstorbenen vergleichsweise hoch.
Um die derzeitige Situation in Deutschland einschätzen zu können und um über Lockerungen sprechen zu können, ist es unerlässlich zu wissen, wie es um Ärzte steht. Wir haben daher bei allen Landesärztekammern per Mail nachgefragt, denn schließlich sollen sie die Ärzte vertreten und in ihrem Interesse handeln. Wie gut wissen sie Bescheid?
Hier ein paar Auszüge aus den Antworten:
Sächsische Landesärztekammer„Uns sind leider keine Zahlen dazu bekannt. Eventuell kann das Sozialministerium Angaben dazu machen.“
Landesärztekammer Baden-Württemberg„Bitte wenden Sie sich wegen Ihrer Frage an das Landesgesundheitsamt bzw. an das Sozialministerium BW; ich bin allerdings skeptisch, ob man Ihnen dort die gewünschte Auskunft geben kann.“
Bayerische Landesärztekammer„Uns ist die Anzahl der verstorbenen Ärzte durch COVID-19 in Bayern nicht bekannt. Wir erfahren nur punktuell von Todesfällen.“
Ärztekammer Sachsen-Anhalt„Ein durch COVID-19 verstorbener Arzt ist uns nicht bekannt.Jedoch erfolgt auf Landesebene lediglich eine statistische Erfassung hinsichtlich der ‚Exposition Heilberuf‘. Dementsprechend wird die Anzahl des aktuell positiv auf COVID-19 getesteten medizinischen Personals ohne Unterscheidung nach ärztlichem und nichtärztlichem Personal statistisch erfasst.“
Ärztekammer Nordrhein„Nach Infektionsschutzgesetz sind die Gesundheitsämter für die Erfassung und Meldung infizierter Personen verantwortlich. Am Anfang wurden bei den Infizierten die gemeldete Berufe nicht erhoben, das ändert sich aber gerade. In wie weit das verbindlich in NRW gemacht wird, entzieht sich aktuell unserer Kenntnis. Das Gleiche gilt für mögliche Todesfälle. Ein zentrales Register für infiziertes medizinisches Personal existiert unseres Wissens nicht.“
Ärztekammer Berlin„Uns sind keine durch COVID-19 verstorbenen Ärztinnen oder Ärzte in Berlin bekannt. Wir erfassen aber auch grundsätzlich keinen ‚Sterbegrund‘ unserer Mitglieder und bekommen hierzu in der Regel nur Kenntnis über Angehörige und/oder durch Unzustellbarkeit der Post. Hinsichtlich der COVID-19-Pandemie sind hier die Gesundheitsämter bzw. das LaGeSo die richtigen Ansprechpartner. Viel Erfolg!“
Es stimmt, dass es gegenüber den Kammern keine gesetzliche Meldepflicht gibt. Die Rechtslage ist da eindeutig: Wenn sich medizinisches Personal mit SARS-CoV-2 infiziert, muss dies laut Infektionsschutzgesetz dem örtlichen Gesundheitsamt gemeldet werden. Trotzdem sind diese Antworten irritierend. Die Standesvertretungen sind stets bemüht, die Einkünfte ihrer Mitglieder zwecks Erhebung der Jahresbeiträge akribisch zu erfassen. An der Art ihres Ablebens haben sie offensichtlich weniger Interesse. Auch ein Zusammenführen von öffentlich zugänglichen Daten, um eine Risikoexposition ihrer Mitglieder abzuschätzen, scheint zu viel verlangt.
Von der Bundesärztekammer bekamen wir gar keine Antwort. Dabei wäre die Institution doch ein wichtiger Treiber, der ein solches Vorhaben, wie ein zentrales Melderegister für infiziertes medizinisches Personal, voranbringen könnte.
Bildquelle: Isaac Davis, Unsplash