Ein Problem bei der Behandlung einiger schwerkranker COVID-19-Patienten ist die Überreaktion des Immunsystems – der Zytokinsturm. Was das für die Therapie bedeutet.
Bei dieser potentiell lebensgefährlichen Überreaktion des Immunsystems kommt es zu einer sich selbst verstärkenden Rückkoppelung zwischen Zytokinen und Immunzellen.
Der Zytokinsturm bringt Ärzte in eine heikle Lage, denn immunsupprimierende Medikamente können dem Entgleisen des Immunsystems zwar entgegenwirken. Aber gleichzeitig läuft man Gefahr, dass der Körper das Virus nicht mehr bekämpfen kann.
Schon früh erkannte man, dass die SARS-CoV-2-induzierte Pneumonie durch eine Überaktivierung der Effektor-T-Zellen und eine übermäßige Produktion von Entzündungszytokinen, insbesondere Interleukin(IL)-6, gekennzeichnet ist. Der IL-6-Wert eignet sich möglicherweise sogar als Prädiktor für eine respiratorische Insuffizienz (wir berichteten).
Darüber hinaus ist ein Zytokinprofil, das der sekundären Hämophagozytischen Lymphohistiozytose (HLH) ähnelt, mit der Schwere der COVID-19-Krankheit assoziiert, gekennzeichnet durch erhöhtes IL-2, IL-7, G-CFS, IP-10, MCP1, MIP 1-α und TNF-α. HLH ist eine seltene hyperinflammatorische Erkrankung mit hoher Sterblichkeit.
Normalerweise würde man immunsupprimierende Wirkstoffe wie Steroide verabreichen, um der Überreaktion des Immunsystems entgegenzuwirken. Doch wie bei der SARS- und MERS-Pandemie ist auch jetzt der Einsatz von Kortikosteroiden nicht routinemäßig zu empfehlen, da es möglicherweise COVID-19-assoziierte Lungenschäden verschlimmert. Deswegen rücken vermehrt Zytokin-Inhibitoren in den Fokus. Sie wirken gezielter als etwa Steroide, die viele verschiedene Entzündungs- und Immunmediatoren hemmen.
In einer Arbeit schlagen Wissenschaftler vor, Wirkstoffe, die im Rahmen von Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden an COVID-19-Erkrankten zu testen. Den Wissenschaftlern fiel auf, dass bei Menschen, die Zytokin-Inhibitoren aufgrund einer Autoimmunerkrankung nehmen, bislang kein erhöhtes Risiko für Lungenentzündungen beobachtet werden konnte. Das überrascht, weil solche Therapien das Risiko von bakteriellen und viralen Infektionen begünstigen können. Sie diskutieren die Hypothese, dass zytokinhemmende Medikamente eine mögliche Therapieoption für manche COVID-19-Patienten seien könnten.
Als vielversprechend gilt derzeit Tocilizumab, ein IL-6-Inhibitor, der unter anderem zur Behandlung von rheumatoider Arthritis zugelassen ist (wir berichteten). Der Wirkstoff wird gerade in einer klinischen Studie für den Einsatz bei COVID-19-Patienten getestet.
In einer im The Lancet erschienenen Veröffentlichung empfehlen Wissenschaftler, alle schwerkranken COVID-19-Patienten auf eine Hyperinflammation zu testen, um rechtzeitig therapeutisch eingreifen zu können.
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