Mangel- und Unterernährung betreffen weltweit nach wie vor das Wachstum und die Entwicklung von Millionen von Kindern. Doch ein besseres Verständnis der metabolischen Zustände im Kindheitsalter könnte dazu beitragen solche Mangelerscheinungen durch den Vergleich mit gesunden Kindern frühzeitig zu erkennen. Dies würde neue Möglichkeiten eröffnen, rechtzeitig und zielgerichtet zu intervenieren.
Hoffnung hierauf macht nun eine neue Forschungsarbeit: Mit einem simplen Urintest soll das Wachstum eines Kindes in den nächsten 6 Monaten vorhergesagt werden können.
Über einen Zeitraum von zwei Jahren nahmen Forscher von der University of Virginia in regelmäßigen Abständen Urinproben von 779 Kleinkindern im Alter von 3 Monaten bis 2 Jahren in Bangladesch, Peru und Tanzania. Parallel dazu wurde jeden Monat ab der Geburt die Körperlänge der Kinder gemessen. Eine Untergruppe dieser Kinder - sie zählten zu den oberen 9 Prozent der Kinder mit linearem Wachstum – wurde als gesunde Referenzgruppe herangezogen. Trotz Widrigkeiten hatten diese Kinder ein nahezu normales Körperwachstum – obwohl ihre Größe und ihr Wachstum oft unter dem Median für gut ernährte Kinder in anderen Ländern lagen.
Aufbauend auf diesen Messungen wollten die Wissenschaftler ein Vorhersagemodell entwickeln, mit dem basierend auf dem Vorhandensein verschiedener Biomarker das Wachstum von Kindern prognostiziert werden kann. Insgesamt wurden regelmäßig acht verschiedene Substanzen gemessen, die mit dem Urin ausgeschieden werden. Am besten eigneten sich hierfür unter anderem die Stoffwechselprodukte des Citratzyklus. Die bedeutendste Funktion des Citratzyklus besteht darin, Acetylgruppen zu oxidieren, damit Elektronen für die Atmungskette frei werden. Dadurch trägt der Citratzyklus indirekt wesentlich zur ATP-Synthese – also der Energiegewinnung – der Zellen bei. Darüber hinaus wurden folgende Werte erhoben: Kreatin, Betain, Hippursäure, Dimethylglycin, Phenylacetylglutamin, 4-Cresyl-Sulfat und Succinat. Anhand dieser Metaboliten kalkulierten die Forscher dann ein sogenanntes “phenome age” (PA), durch das die metabolische Reife der Kinder eingeschätzt werden soll.
Tatsächlich konnten die Forscher signifikante Unterschiede bei der Messung dieser Metaboliten feststellen. Kinder mit verzögertem körperlichem Wachstum lagen auch in ihrer metabolischen Reife hinter denen der Referenzgruppe. Dieser Zustand ist bereits ab einem Alter von 3 Monaten anhand der Biomarker im Urin erkennbar und bleibt bis etwa zum zweiten Lebensjahr bestehen.
Dieser neuartige Ansatz könnte also tatsächlich eine Möglichkeit darstellen, nicht-invasiv frühzeitig die metabolische Stoffwechsellage von Kindern einzuschätzen und darüber eine Prognose ihres körperlichen Wachstums abzugeben. Daran könnte dann die Notwendigkeit medizinischer Interventionen ausgemacht werden, die nicht auf das chronologische Alter des Kindes angepasst sind, sondern vielmehr auf dessen metabolische Reife. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen kann dann auch im Zeitverlauf immer wieder per Urintest überprüft werden.
Textquelle: © NewScientist / Giallourou et al. / Science Advances
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