Thetawellen fungieren als gemeinsame Sprache des Gehirns und koordinieren mentale Zustände sowie das Verhalten. Durch die Kombination von Laserlicht und lichtsensitiven Proteinen konnten die Thetawellen im Mausgehirn experimentell gesteuert und synchronisiert werden.
Thetawellen wurden vor fast 80 Jahren entdeckt und geben noch bis heute Rätsel auf: Warum feuern Nervenzellen in den Gehirnen von Mensch und Tier mitunter synchron, in einem schnellen Rhythmus von 5-10 Schwingungen pro Sekunde? Thetawellen treten zum Beispiel im Hippocampus auf. Bewegen sich Tiere oder Menschen fort, werden „Ortszellen” aktiviert. Ob die Thetawellen sich dabei auf Verhalten der Tiere während der Navigation auswirken, war bislang unbekannt.
Einem Forschungsteam geleitet von Tatiana Korotkova und Alexey Ponomarenko gelang es, den Theta-Rhythmus im Hippocampus von Mäusen mithilfe optogenetischer Methoden zu steuern. Dabei wurden die neuronalen Verbindungen, die vom Theta-Schrittmacher des Gehirns zum Hippocampus führen, mit lichtempfindlichen Proteinen ausgestattet und dann über eine optische Faser angeregt. „Es war faszinierend zu beobachten, wie dieser prominente Gehirnmechanismus seinen Rhythmus den blauen Laserstrahlen anpasste”, erinnern sich die Doktorandinnen Franziska Bender und Maria Gorbati. Durch Steuerung mittels Licht wurden die Thetawellen gleichförmiger und stabiler, da sie weniger von anderen Reizen beeinflusst wurden. Erstmals konnte man so die Bedeutung von Thetawellen für das Verhalten der Tiere erforschen. Die erste Überraschung: Während der Lichtstimulation liefen die Mäuse bei der Erkundung eines Areals langsamer und gleichmäßiger „Man kann sich die Gehirnrhythmen als Ampeln vorstellen, die den Zellen mitteilen, wann sie an der Reihe sind,” fasst Ponomarenko die Ergebnisse zusammen. „Konstantere Oszillationen wirken wie präzise wiederkehrende Grünphasen auf die Zellen.” Thetawellen im Hippocampus von Mäusen. Links das spontane Auftreten, auf der rechten Seite durch Licht gesteuerte Thetawellen, die dadurch gleichmäßiger und stabiler werden. © Bender/Korotkova/Ponomarenko, FMP
Die zweite Überraschung: Nicht nur Areale der Großhirnrinde, sondern auch entwicklungsgeschichtlich weit ältere Hirnzentren reagierten auf die Grün- und Rotphasen der Hippocampusregion, und auch das wirkte sich auf das Verhalten der Mäuse aus. Die Thetawellen im Hippocampus werden über das Laterale Septum an den Hypothalamus weitergeleitet. „Über viele Jahre wurde die Bedeutung der Thetawellen für die Kodierung von Raum und Zeit studiert, um unser Verständnis davon zu erweitern, wie das Gehirn unsere täglichen Erfahrungen abspeichert”, erzählt Korotkova. „Jetzt verstehen wir, dass das Bild unserer Umgebung, welches vom Hippocampus generiert wird, von anderen Gehirnregionen abgelesen wird, die direkten Einfluss auf die Bewegungsgeschwindigkeit während der Erkundung einer Umgebung nehmen können”. „Es war schon bekannt, dass Netzwerke im Gehirn mittels Synchronisation miteinander kommunizieren. Wir verfügten also über eine Art rudimentäres Wörterbuch, dass allerdings noch nie getestet worden war. Mit Optogenetik ist es nun möglich, an dieser Kommunikation teilzunehmen, die genaue Bedeutung des Synchronizations-Vokabulars zu bestimmen und das Wörterbuch zu erweitern“, erklärt Ponomarenko. Die Wissenschaftler glauben, dass die Manipulation mit optogenetischen Methoden dabei helfen kann, Ursache und Wirkung von Gehirndynamiken und Verhalten zu entschlüsseln und unser mechanistisches Verständnis psychischer Störungen zu vertiefen. Originalpublikation: Theta oscillations regulate the speed of locomotion via a hippocampus to lateral septum pathway. Franziska Bender, Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms9521; 2015