In Frankreich verfolgen Ärzte einen neuen Ansatz, wenn es um die Behandlung von schwer an COVID-19 Erkrankten geht. Patienten mit akutem Lungenversagen sollen mit Hämoglobin aus Wattwürmern behandelt werden.
Der Grundgedanke hinter diesem Projekt: Wenn Patienten das Molekül intravenös verabreicht wird, kommt es zu einem höheren Sauerstoffgehalt im Blut – so erklärt es der Chirurg Laurant Lantieri, der Teil einer Versuchsreihe sein wird, die er unter anderem in einem Videobeitrag von Deutsche Welle vorstellt. Ärzte hoffen, dass die behandelten COVID-19-Patienten somit nach kürzerer Zeit von der Intensivstation entlassen werden können.
Die Idee, das Hämoglobin (Hb) des Wattwurms für klinische Zwecke einzusetzen, ist nicht erst im Rahmen der Corona-Pandemie entstanden. Vielmehr beobachtete der Biologe und Erfinder des Produkts, Franck Zal, bereits vor vielen Jahren, dass Wattwürmer für mehrere Stunden überleben können, ohne neuen Sauerstoff aufzunehmen. So kann das Hämoglobin des Wattwurms bis zu 156 Sauerstoffmoleküle binden und damit etwa 40 Mal mehr Sauerstoff transportieren als menschliches Hämoglobin. Zudem befindet es sich extrazellulär und kann deshalb leicht aufgereinigt und extrahiert werden.
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Das brachte Zal auf die Idee, das Blut des Wattwurms für medizinische Zwecke zu nutzen. So ist es inzwischen gelungen, ein pulverförmiges Produkt zu entwickeln (M101), das lange bei Raumtemperatur haltbar ist. Wird M101 in Lösung gebracht, setzt es Sauerstoffmoleküle passiv in einem Sauerstoffgradienten frei, ohne dass ein allosterischer Effektor benötigt wird und versorgt die Umgebung mit der richtigen Menge an Sauerstoff. Es besitzt eine intrinsische Cu/Zn-Superoxid-Dismutase (SOD)-Aktivität, die sowohl das Auftreten von potenziell schädlichen freien Radikalen als auch die Freisetzung von Hb-Abbauprodukten verhindert. Diese könnten sonst Schäden am Endothel und dem umgebenden Gewebe verursachen.
Das Produkt wurde bereits an mehreren Modellen getestet und war Gegenstand einer klinischen Studie bei Nierentransplantatierten. Im Jahr 2018 wurde es zudem bei der zweiten totalen Gesichtstransplantation eines Patienten eingesetzt, die von Professor Lantiéri durchgeführt wurde.
Die jetzige Versuchsreihe läuft unter dem Projektnamen „Monaco“. Sie soll zunächst an zehn Patienten durchgeführt werden, die eine Indikation für eine ECMO (Extrakorporale Membranoxygenierung) aufweisen, jedoch nicht für dieses Verfahren in Frage kommen. Mit Zustimmung ihrer Betreuungspersonen werden die Patienten eine Injektion von M101 erhalten. Dies wird sequentiell mit einer progressiven Dosiserhöhung appliziert. Die erforderlichen Zustimmungen der ANSM (Nationale Agentur für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte) und des Ausschusses für den Schutz von Personen (CPP) wurde bereits erteilt.
Das primäre Ziel des Projektes Monaco ist es, die Sicherheit der Behandlung nachzuweisen. Hierzu soll überprüft werden, dass unmittelbar nach der Verabreichung keine unerwünschten Ereignisse auftreten. Zudem ist es Zweck der Studie, zu zeigen, dass die Gewebeoxygenierung von Patienten mit SARS-CoV-2 assoziiertem ARDS durch intravenöse Injektion des Sauerstoffträgers M101 verbessert werden kann. Durchgeführt werden soll das Projekt an den zwei Pariser Kliniken La Pitié-Salpêtrière und Georges Pompidou.
Quellen: © Hemarina // APHP // Teh ES et al. / Artificial Cells, Nanomedicine and Biotechnology // DW News / https://bit.ly/2XnF6jw
Bildquelle: Tama66, pixabay